Standort Deutschland Deutschland spart sich die eigene Zukunft kaputt

Meyer Burger Chef Gunter Erfurt (rechts) zeigt Robert Habeck vergangenen Herbst seine Solarpaneele. Bald will er sie in den USA fertigen statt in Sachsen. Quelle: dpa

Bauern werden geschont, Solarindustrie und Batterieforscher nicht. Die Spar-Beschlüsse der Ampel zeigen ein fatales Muster: Wer Autobahnen blockieren kann, hat Erfolg. Wer nicht, muss bluten. Ein Kommentar.

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Alle, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse beklatscht haben, sollten nochmal in sich gehen. Allmählich zeigen sich die katastrophalen Folgen. Die Ampel muss unter hohem Zeitdruck 60 Milliarden einsparen. Dass es dabei Schmerzen gibt, ist klar. Doch leider zeigt sich ein fatales Muster: wer, wie die Bauern, Autobahnen blockieren kann, dem gibt die Politik nach. Wer das nicht kann, muss bluten. Dabei treffen die Kürzungen nun ausgerechnet jene, von denen maßgeblich die künftige technische und ökonomische Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands abhängt. Und damit unser Wohlstand.

Exemplarisch nur zwei von dutzenden Meldungen dieser Tage: Der Solarkonzern Meyer Burger will nun lieber in den USA investieren als in Europa, das Werk im sächsischen Freiberg schließen. Es fehlen, nicht nur, aber eben auch, Gelder aus Robert Habecks Fonds, den das Verfassungsgericht gestoppt hat. Es wäre Teil des Plans gewesen, sich mit eigener Green-Tech-Produktion endlich wieder unabhängiger zu machen vom alles dominierenden China. Dutzende solcher Projekte stehen nun vor dem Aus. Die Folgen? Potenziell verheerend, sollte sich etwa die Lage in Taiwan zuspitzen und der Nachschub aus Fernost einfrieren. Schon die Huthi-Angriffe auf Schiffe im Roten Meer zeigen, wie gefährlich die Abhängigkeit von China und Taiwan ist.

Kürzen ausgerechnet da, wo Deutschland noch nicht abgehängt war

Am Tag zuvor wurde bekannt, dass auch Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger 156 Millionen Euro pro Jahr streichen muss. Das tut sie nun ausgerechnet in der Anwendungsforschung für neue Batterien. Die ist eh schon der Flaschenhals in Deutschland, in einem absoluten Zukunftsmarkt. Und es ist vergleichsweise wenig Geld, das wir sparen, die Folgen aber sind dramatisch: Die Streichung trifft exakt jene Forschungsfelder, in denen Deutschland noch nicht völlig abgehängt war von USA und Asien: Maschinen und Anlagen für Batteriefabriken, neue Ingenieure und Wissenschaftlerinnen für eben diese, neue Batteriematerialien.

Die ersten Projekte an Unis, Instituten, bei Start-ups und Mittelständlern haben bereits die endgültige Bestätigung: ab 2024 kein Geld mehr. Die dringend benötigen Fachkräfte bewerben sich nun in den USA, Skandinavien, England. Es ist zu befürchten, dass wir weitere solche Hiobsbotschaften zu hören bekommen in den nächsten Wochen. 

Der Treppenwitz dabei: Es gibt keinen ökonomischen Zwang für eine Schuldenbremse. Obwohl der Staat weiterhin Geld am Kapitalmarkt zu nominalen Niedrigzinsen unter der Inflationsrate, de facto also geschenkt bekommt, kürzt er seine Zukunft zusammen. Im Englischen gibt es einen Spruch, der solch ein Verhalten treffend beschreibt: „Penny wise, but Dollar foolish.“

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