Gut ein Jahr ist es erst her, dass der Sprachbot ChatGPT online ging – doch seitdem ist auf dem Feld der künstlichen Intelligenz so viel passiert wie zuvor nicht in einem ganzen Jahrzehnt: Im Eiltempo erobert Generative KI, die Texte schreibt, Bilder erträumt, Videos aus dem Nichts erzeugt, jetzt App-Stores und Bürosoftware wie Microsoft Office oder Google Workspace.
Das Berliner Start-up Qdrant dürfte Laien kaum bekannt sein, es entwickelt keine populären Sprachbots wie etwa das Unternehmen OpenAI. Dafür aber haben sich die Berliner quasi im Maschinenraum der KI-Produktion einen Namen gemacht: Die Gründer haben ein Speichersystem für all die neuen KI-Daten entwickelt, das sich nun massiver Popularität erfreut.
Im vergangenen Jahr ist die Nutzerbasis von Qdrant massiv gewachsen, zehntausende Entwickler verwenden die Cloud-Lösung der Berliner. Und das soll nur der Anfang sein: In einer Series-A-Finanzierungsrunde hat sich Qdrant nun 28 Millionen Dollar Wagniskapital gesichert, wie die WirtschaftsWoche erfahren hat. Damit soll das Unternehmen nun weiter stark wachsen. „Wir wollen Marktführer für Vektordatenbanken werden“, sagt Co-Gründer Andre Zayarni. Für ein deutsches KI-Start-up ist das eine beachtliche Summe, im internationalen Vergleich klingt es weniger spektakulär: Im Dezember erst hatte das französische KI-Start-up Mistral bei einer Finanzierungsrunde 385 Millionen Euro eingesammelt.
Schneller schlau: So lernen Maschinen das Denken
Mit Kameras, Mikrofonen und Sensoren erkunden die Maschinen ihre Umwelt. Sie speichern Bilder, Töne, Sprache, Lichtverhältnisse, Wetterbedingungen, erkennen Menschen und hören Anweisungen. Alles Voraussetzungen, um etwa ein Auto autonom zu steuern.
Neuronale Netze, eine Art Nachbau des menschlichen Gehirns, analysieren und bewerten die Informationen. Sie greifen dabei auf einen internen Wissensspeicher zurück, der Milliarden Daten enthält, etwa über Personen, Orte, Produkte, und der immer weiter aufgefüllt wird. Die Software ist darauf trainiert, selbstständig Muster und Zusammenhänge bis hin zu subtilsten Merkmalen zu erkennen und so der Welt um sie herum einen Sinn zuzuordnen. Der Autopilot eines selbstfahrenden Autos würde aus dem Auftauchen lauter gelber Streifen und orangefarbener Hütchen zum Beispiel schließen, dass der Wagen sich einer Baustelle nähert.
Ist das System zu einer abschließenden Bewertung gekommen, leitet es daraus Handlungen, Entscheidungen und Empfehlungen ab – es bremst etwa das Auto ab. Beim sogenannten Deep Learning, der fortschrittlichsten Anwendung künstlicher Intelligenz, fließen die Erfahrungen aus den eigenen Reaktionen zurück ins System. Es lernt zum Beispiel, dass es zu abrupt gebremst hat und wird dies beim nächsten Mal anpassen.
Milliardenmarkt für Vektordatenbanken
Moderne KI-Programme wandeln Texte, Bilder und Co. in lange Zahlenkolonnen um, die in einem hochdimensionalen Raum angesiedelt sind. Vektordatenbanken erlauben es, diese KI-Daten blitzschnell einzusortieren, zu verarbeiten und auszulesen. So kann etwa ein Chatbot in Millisekunden eine Frage verstehen und eine Antwort erstellen.
Konkurrenten wie Pinecone aus den USA oder Zilles aus China bieten ähnliche Speichersysteme an. Doch Qdrant will mit besonders effizienter Datenverarbeitung, einer klaren Architektur und einfachen Handhabung gegenüber den Wettbewerbern punkten.
„Ein Großteil der weltweiten Daten wird irgendwann in irgendeiner Form von Vektorraum gespeichert sein“, sagt Yasmin Razavi, General Partner bei Spark Capital. Der Wagniskapitalgeber aus San Francisco (Twitter, Tumblr, Oculus, Cruise) hat die jüngste Finanzierungsrunde neben den bereits bestehenden Investoren Unusual Ventures und 42CAP angeführt.
Zu den aktuell 40 Mitarbeitern bei Qdrant dürften nun schnell weitere hinzukommen. Welches Wachstum das Start-up, das aktuell Umsätze im Millionenbereich macht, hinlegen kann, wird davon abhängen, ob der aktuelle Boom bei Generativer KI sich als nachhaltig erweist.
Das AppliedAI Institute for Europe hat in einer Studie, über die die WirtschaftsWoche vergangenen Sommer exklusiv berichtet hat, Qdrant bereits zu einem der 20 aussichtsreichsten KI-Start-ups in Deutschland gekürt. Nun ist es auch eines der bestfinanzierten.