Zukunft der Managementausbildung „KI hat nun mal keine Emotionen“

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An der Business School von Yoshito Hori in Tokio lernen Studenten etwas über KI, Robotik und nutzen ChatGPT. Hori erklärt, wieso KI kein guter Stratege ist – und warum die Studenten seine Lieblingsbücher lesen müssen.

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WirtschaftsWoche: Herr Hori, Sie sind Gründer und Präsident der Graduate School of Management, Globis University in Tokio. Im MBA belegen die Studenten dort auch Kurse rund um Data Science, Robotik und KI. Sie selbst haben 1991 Ihren MBA in Harvard gemacht: Gab es damals schon Vorlesungen zu digitalen Themen?
Yoshito Hori: Das zwar nicht, aber wir haben immerhin Laptops gestellt bekommen. Es gab damals noch kein Internet im heutigen Sinn. Unsere Fallanalysen tippten wir am Rechner und mussten sie für einen anschließenden Vortrag ausdrucken. Ich erinnere mich noch, dass wir dafür unsere eigenen Drucker mitbringen mussten.

Heute nutzen Studenten ChatGPT, um Arbeiten erstellen zu lassen. Wann haben Sie erste Erfahrungen mit KI gemacht?
Kennen Sie das Spiel Go? Ein extrem kompliziertes Strategiespiel. 2016 hat eine KI vom Unternehmen Deepmind, das Google kurz zuvor übernommen hatte, einen der besten Profispieler der Welt geschlagen. Danach haben wir selbst viel Geld investiert, um ein eigenes Programm zu entwickeln und mit Google zu konkurrieren.

Als Hochschule?
Ja, tatsächlich. Und noch bevor ChatGPT herauskam, haben wir in unserem Forschungsinstitut ein Tool aufgebaut, das Essays auswerten und unseren Studenten Feedback geben kann. Dafür haben wir ein Patent von der japanischen Regierung bekommen. Wir haben über eine Programmierschnittstelle eine App entwickelt, in der unsere Studenten ChatGPT nach Informationen zu betriebswirtschaftlichen Konzepten fragen können. Das können sie nutzen, wenn sie Essays anfertigen.

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Und das erlauben Sie?
Im Moment nur in Kursen, in denen wir keine Noten vergeben. Wir überlegen gerade, ob wir den Studenten das auch in benoteten Kursen erlauben. Doch ist das fair? Diese Frage müssen wir vorher beantworten. Wir wissen auch noch nicht, ob Anwendungen wie ChatGPT das kritische Denken unserer Studenten eher fördern oder einschränken.

Wozu tendieren Sie?
Wir werden ChatGPT wahrscheinlich in den grundlegenden Kursen, wo wir ihnen das Basiswissen vermitteln, nicht zulassen. Also in Finanzierung und Strategie etwa. Aber in den Kursen für Fortgeschrittene könnten unsere Studenten ChatGPT nutzen, um für Essays zu recherchieren und diese zu schreiben. Dazu braucht es immer noch die Arbeit der Studenten: Die Anweisungen, die sie ChatGPT geben, müssen sehr akkurat sein. Sie müssen die Essays sorgfältig bearbeiten und womöglich noch zusätzliche Informationen einarbeiten.

An deutschen Universitäten wäre das nur schwer vorstellbar. Blicken Menschen in Japan anders auf KI?
Ich weiß gar nicht, ob ich Unterschiede zwischen den Ländern machen würde. Für mich ist es eher eine Typfrage: Wie offen bin ich für Neues? Und häufig ist es doch so: Wer einmal mit KI arbeitet und gute Ergebnisse erhält, verliert schnell seine Skepsis.

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Verändert künstliche Intelligenz denn den Beruf des Managers überhaupt?
Manager müssen die Theorie hinter Marktanteilen, Bilanzierung und Steuerrecht verstehen. Das können wir ihnen mit Büchern und Videos beibringen. Dabei kann KI helfen, keine Frage. Sie müssen aber auch Strategien entwickeln. Entscheidungen treffen. Dafür müssen sie Ideen sammeln, Gespräche führen, die beste und einzigartige Lösung finden. In der Wirtschaft gilt: Wer diese Lösung findet, profitiert. Das kann ihnen ChatGPT nicht beibringen. Davon bin ich überzeugt. Außerdem brauchen Führungskräfte zwischenmenschliche Fähigkeiten. Sie müssen mit Geschäftspartnern verhandeln, Mitarbeiter coachen, motivieren und ihnen Feedback geben. Es braucht Emotionen. Und KI hat nun mal keine Emotionen.

Aber viele Start-ups verkaufen bereits heute Software, die Managern zu einer Entscheidung rät oder sie gleich selbst trifft.
Stimmt. Aber ich bin überzeugt, dass KI Prozesse im Marketing automatisieren kann, in der Buchhaltung auch. Aber bei Strategien und ihrer Ausführung kommt es auf den Menschen an. Auf Interaktion. Auf Intuition. Wie ich schon sagte: Manager müssen häufig Entscheidungen treffen, die ihre Wettbewerber nicht treffen. Um einen Schritt voraus zu sein. Was aber, wenn KI einem Unternehmen die gleichen Entscheidungen empfiehlt wie einem Konkurrenten? Wo ist dann das Alleinstellungsmerkmal? Management ist komplexer als eine Partie Go.

Das müssen Sie erklären.
Ich kenne beide Welten: Ich spiele Go, und ich bin Unternehmer. Im Go kann die KI den bestmöglichen Zug inzwischen sehr gut vorhersagen. Im Management funktioniert das nicht. Es gibt drei wesentliche Unterschiede: Beim Go haben zwei Spieler die gleichen Ressourcen, insgesamt 361 Steine. In der Wirtschaft haben etliche Spieler verschiedene Ressourcen. Außerdem gibt es im Go keinen menschlichen Faktor. Sie spielen mit Steinen, nicht mit Mitarbeitern, die sie unterschiedlich behandeln, motivieren, kritisieren müssen. Und es treten beim Go keine geopolitischen Risiken wie Pandemien oder Kriege, keine Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen auf. Diese müssen Manager bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen. Trotzdem müssen unsere Studenten Technologie durchdringen, um in einem digitalen Zeitalter einen guten Job machen zu können. Sie müssen verstehen, wie Daten und KI ihr Geschäft beeinflussen. Also integrieren wir diese Technologien, sei es KI oder Robotik, im Lernplan. Für diese Fächer haben wir den Begriff „Technovate“ eingeführt. Also ein Kofferwort aus Technology und Innovate. Wir haben es sogar urheberrechtlich schützen lassen (lacht).

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