Werner knallhart
Quelle: imago images

Wie ich meine Mutter (75) zu einem Elektroauto überredet habe

Viele Senioren sind durch ihren Fahralltag für Elektroautos prädestiniert. Weil E-Autos aber so neuartig sind, fühlen sich einige Silverdriver zu alt dafür. Das ist natürlich Quatsch. Man braucht nur gute Argumente.

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Der alte Mercedes meiner Mutter hat mittlerweile einen Zustand erreicht, dass es vergangene Woche schon ein Grund gewesen wäre, ein Fläschchen Sekt aufzumachen, als er noch mal durch den TÜV gekommen war. Aber wie der nette Mann in der Werkstatt mir am Telefon sagte: „Wenn sich Ihre Mutter überlegt, sich ein neues Auto zuzulegen, dann wäre das jetzt eine gute Gelegenheit.“

Was nun? Solange ich denken kann, war es immer mein Vater gewesen, der sich um die Familienautos gekümmert hatte. Autoschrauben gehörte so selbstverständlich zum Familienwochenende, dass ich mich als Kind immer fragte, wann im Leben man eigentlich offiziell Autoreparieren lernt, um dafür zeitlebens gerüstet zu sein.

Mittlerweile lebt mein Vater nicht mehr, meine Mutter hat andere Hobbys und ich als interessierter Autolaie mit diversen Konten bei Carsharing-Anbietern fahre dank WeShare von VW mittlerweile längst viel mehr elektrisch als verbrennend. In der Tiefgarage steht mein elektrischer Motorroller. Und ich dachte mir so: Ein E-Auto, das wäre doch etwas für Mama.

In der Tat ist es ja so, dass zumindest nach meiner Beobachtung gerade die ältere Generation ein Mobilitätsmuster aufzeigt, für das Elektroautos wie gemacht zu sein scheinen. Selbst und gerade die kleinen mit der mickrigen Reichweite.

Fahren wir mobilen Mitteleuropäer in jüngeren Jahren mit den Kindern auf der Rückbank noch kreuz und quer über den Kontinent, verlagert sich das Reiseverhalten, sobald die Kinder aus dem Haus sind und irgendwann selbst Kinder haben, doch nach und nach über die Jahre in Zug, Flugzeug und Kreuzfahrtschiff.

Dass meine Mutter mit einem Auto an die Côte d´Azur oder ans Nordkap fährt, scheint ausgeschlossen. Längere Reisen durch Deutschland erledigt sie mit ihrer BahnCard 50 per ICE. Sie hat vor ihrem Haus einen Carport mit Stromanschluss. Ich überschlug kurz und kam zur Conclusio: Es lohnte sich trotz des hohen So-weit-kommt´s-noch-Frustrationspotenzials ein E-Auto-Talk mit meiner Mutter.

Ich schnitt das Thema an. Zu meiner eigenen Überraschung wurde ich nicht innerhalb von Sekunden mit „Hoh! Um Gottes Willen. Brauchen wir gar nicht zu diskutieren!“ freundlich ausgebremst, sondern meine Mutter sagte: „Hmm.“
Das war die Einladung an mich zum Abfeuern der Argumente.
Nach Rücksprache mit einem guten Freund, den ich für einen der begnadetsten Autoverkäufer Deutschlands halte (nicht allein wegen seiner Überzeugungskünste, sondern vor allem wegen seines Fachwissens) hatte ich als Vorschläge zu unterbreiten einen neuen VW E-Up (offizielle Reichweite bis zu 260 Kilometer) und einen Smart EQ Forfour (also für vier Insassen, Reichweite bis zu, naja, 153 Kilometer).

Schnell stellte sich heraus: Der VW E-Up ist derzeit nicht bestellbar, Standfahrzeuge bei den Händlern sind wiederum so begehrt, dass man es kaum schafft, den wenigen bundesweit in Auto-Verkaufsportalen angebotenen Exemplaren hinterher zu telefonieren: „Och, ist der noch drin? Weil der ist schon verkauft. Sorry.“

Das Gute: Nach Vorlage der Fotos von E-Up und Smart EQ sagte meine Mutter: „Der Smart sieht ja ganz süß aus.“

Mein guter Freund schlug mir einen Smart eines jung@smart-lizensierten Autohauses vor. Das verkauft von der Firma Daimler kurz gebrauchte Vorführwagen mit allem Zipp und Zapp in der Ausstattung nach Abzug aller E-Auto-Förderprämien zum Spottpreis. Neupreis: über € 30.000. Jetzt dank Förderung (und der knapp 2000 Kilometer auf dem Tacho): € 13.888. Eine Ersparnis von rund 54 Prozent. Mit praktisch allen Extras von Rückfahrkamera, LED-Scheinwerfern, beheizten Vordersitzen, beheiztem Außenspiegel und beheiztem Lenkrad und der Einbindung einer App, mit der man das Auto vom Sofa aus Sommer wie Winter auf Wunschtemperatur zur Wunschuhrzeit vorklimatisieren kann, solange es noch auf der Auffahrt am Stromkabel hängt, um den Akku zu schonen.

Denn: ja, der Akku.
Meine Mutter: „150 Kilometer. Das ist ja nicht gerade viel.“
Ich: „Was für Strecken fährst du denn immer so?“
Meine Mutter: „Eigentlich immer nur zum Einkaufen in den Supermarkt und zu dm.“
Ich: „Das sind rund 800 Meter.“
Sie lachte. Schließlich stellte sich heraus: Strecken über 100 Kilometer hin und zurück fährt sie rund einmal in zwei Jahren im Auto. Und für diese Fälle gäbe es Ladesäulen am Zielort.

„Ja, meinst du denn, ich kapiere das noch mit dem Laden?“

In der Generationendiskussion zum Thema Alter gibt es ja zwei Kategorien: Die eine, in der die Kinder ihren Eltern erklären müssen, dass es langsam mal Zeit wird anzuerkennen, dass sie einen Schritt kürzer treten sollten, zu ihrem eigenen Wohl und dem der Allgemeinheit. Gespräche mit meiner Mutter entspringen der anderen Kategorie: „Doch, Mama, das kannst du noch lernen!“ (neues iPhone, Induktionsherd, Online-Ticket kaufen). Und so war es auch diesmal.

„Ja, Mama, es ist zwar neu, aber es ist einfacher.“
„Naja, einfacher als tanken?“
„Mama, stell dir mal vor, wir hätten seit hundert Jahren Autos, die man einfach bequem zu Hause auf der Auffahrt aufladen kann, und wenn man unterwegs laden muss, dann geht man in der Wartezeit einen Kaffee trinken.
Und dann kommen plötzlich Autos auf den Markt, über die es heißt: Jetzt kannst du nicht mehr zu Hause aufladen, jetzt musst du immer an eine Tankstelle fahren, dort füllst du dann eine brennbare flüchtige Flüssigkeit in den Tank, am besten trägst du Plastikhandschuhe, sonst stinken danach deine Finger, aber du musst am Auto bleiben, und giftige Dämpfe einatmen, aber du darfst kein Handy benutzen wegen Explosionsgefahr, und dann fährst du weiter mit zig Litern brennbarer Flüssigkeit unter deinem Hintern, die bei einem Unfall auslaufen und Feuer fangen kann. Und die Flüssigkeit wird unterwegs dann direkt vor dir im Motor verbrannt und der Rauch wird hinten raus gepustet, den atmen dann die Fußgänger ein, insbesondere kleine Kinder. Diese kleinen Explosionen machen ziemlich Krach. Sogar wenn das Auto steht. Und im Winter dauert es ewig, bis die Heizung funktioniert. Aber warm laufen lassen per App, das geht nicht – und ist sogar verboten, der Umwelt zuliebe. Aber du kannst damit 480 Kilometer fahren mit einer Tankfüllung. Würdest du dein Elektroauto dafür hergeben?“

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Es ist dann der Smart geworden (nach meiner Zusicherung, dass E-Autos niemals Schaltgetriebe haben und ich daher sicher bin, dass das ein Automatikauto ist). Das Auto wird meine Mutter erstmal ganz locker mit Haushaltstrom über Nacht laden und später über eine Wallbox nachdenken. Eins nach dem anderen. Nachdem sie in der Siedlung erzählt hat, was sie sich geleistet hat, war die Nachbarin zwei Häuser weiter ganz aus dem Häuschen: „Nein, ein Elektroauto? Ich beneide dich. Meine Kinder sagen mir auch schon immer: Kauft euch ein E-Auto. Ihr seid prädestiniert dafür.“

Meine Mutter ist jetzt 75 und die Firstmoverin der Straße.

Mehr zum Thema: Die Zahl der E-Autobesitzer steigt. Nun belegt eine Umfrage, dass ein Großteil sehr zufrieden mit seiner Kaufentscheidung ist und jederzeit wieder ein elektrisch angetriebenes Auto kaufen würde.

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