Klimaschutz Der „Green Deal“ ist für Daimler der Horror

Schon unter den bisher geltenden EU-Vorschriften hat Daimler Mühe die Vorgaben einzuhalten. Nun wird es noch schwerer. Quelle: dpa

Der Klimaschutz in der Europäischen Union wird drastisch verschärft. Unternehmen wie Daimler, die schon bislang ihre CO2-Emissionen nicht im Griff hatten, dürften nun erst recht nervös werden.

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Als gäbe es derzeit nicht schon genug schlechte Nachrichten für Daimler, kam nun noch eine dazu: Der „Green Deal“ der EU-Kommission wurde von den Regierungschefs der EU weitgehend abgenickt. Jetzt gibt es einen Konsens von Parlament, Kommission und Rat der EU – und deshalb wohl schon im kommenden Frühjahr etliche neue Gesetze, die Wirtschaft und Umweltschutz in der Europäischen Union tiefgreifend verändern werden. Der Klimaschutz wird drastisch verschärft, und wer wie Daimler schon bislang seine CO2-Emissionen nicht im Griff hatte, dürfte nun erst recht nervös werden.

Klimasünder werden künftig Federn lassen in Europa – oder ganz auf der Strecke bleiben, wenn sie die neuen Rahmenbedingungen überfordern. Bosch-Chef Volkmar Denner schlug kurz vor der Verabschiedung des Green Deal Alarm: „Derartig anspruchsvolle Grenzwerte bedeuten das Ende des klassischen Verbrennungsmotors mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Beschäftigung der betroffenen Unternehmen.“ So wirklich schienen solche Mahnungen aus der Autoindustrie aber die Spitzenpolitiker der EU nicht zu beindrucken – der Green Deal wurde für EU-Verhältnisse in Rekordzeit beschlossen.

Bei Daimler müssen die Umwelt- und Politikexperten in diesen Tagen neu rechnen: Was bedeutet die angedachte Verschärfung der CO2-Vorgaben für Pkw und Lkw? Welche Auswirkungen könnte eine CO2-Steuer im Verkehrsbereich haben? Was passiert, wenn das Steuerprivileg für Diesel fällt? Egal, was die Szenarien ergeben – schön wird das Ergebnis aus Sicht von Daimler nicht sein. Denn die Stuttgarter haben schon unter den bisher geltenden Vorschriften größte Mühen, die Vorgaben der EU zu schaffen.

Ab dem nun beginnenden Jahr zählt es: Die von einem Autokonzern verkauften Neuwagen – auch Flotte genannt – dürfen im Durchschnitt einen bestimmten Höchstwert nicht überschreiten. Grundsätzlich gilt ein Höchstwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer. Weil Besonderheiten der Hersteller berücksichtigt werden – etwa, wenn er besonders viele große Autos verkauft – kann diese Obergrenze bei jedem Hersteller unterschiedlich sein. Überschreitet ein Hersteller seinen individuellen Zielwert, muss er für die Überschreitung bei jedem verkauften Auto eine Strafe von 95 Euro pro Gramm an die EU entrichten.

Bislang sah die Frankfurter Unternehmensberatung PA Consulting ab 2021 eine jährliche Strafe auf Daimler von rund 250 Millionen Euro zukommen. Doch im vergangenen Jahr verschlechterten sich die Aussichten für die Stuttgarter dramatisch: Weil sie weniger Diesel absetzten, die tendenziell geringere CO2-Werte aufweisen. Weil sie mehr große Autos verkauften. Weil ein neues CO2-Testverfahren höhere Werte ergibt als das alte. So werde die jährliche Strafe auf rund eine Milliarde Euro steigen, prognostiziert PA Consulting in einer noch unveröffentlichten Studie.

Laut einer Untersuchung der Marktforschung Jato Dynamics kamen die 2018 von Daimler abgesetzten Autos auf einen durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 134,3 Gramm pro Kilometer. Kein anderer großer Hersteller hat einen so hohen Wert – und ist so weit (34 Gramm) von seinem Zielwert entfernt. Auf bis zu drei Milliarden Euro jährliche Strafen könnten sich die Folgen des Missmanagements in Stuttgart addieren, so die Prognose von Jato Dynamics. Bei den derzeitigen Gewinnen entspricht das knapp der Hälfte des Jahresgewinns. Dabei wird es aber sich nicht bleiben, denn 2019 haben sich die CO2-Werte bei Daimler weiter erhöht.

Wegducken können sich die Autohersteller bei der Klima-Debatte nicht. Die CO2-Emissionen, die ihre Produkte weltweit verursachen, sind so hoch wie der Ausstoß ganzer Staaten. So hat etwa VW ausgerechnet, welchen Anteil der Konzern am globalen CO2-Ausstoß hat. Es seien, wie VW-Chefstratege Michael Jost der WirtschaftsWoche sagte, „rund ein Prozent der globalen CO2-Emissionen bei den Pkws und etwa ein Prozent bei den vom VW-Konzern verkauften Lkws.

Damit sind die CO2-Emissionen des VW-Konzerns, der derzeit jedes achte Auto weltweit und jedes dritte Auto in Deutschland produziert, vergleichbar mit den CO2-Emmissionen Deutschlands (2,1 Prozent laut Global Carbon Project, 2016). Die globale Erwärmung ist nach Auffassung von Jost eine Bedrohung für die Zivilisation: „Bei vier Grad Erderwärmung ist die Lage nicht mehr beherrschbar“. Volkswagen wolle mit Elektroautos seinen Beitrag dazu leisten, dass die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad begrenzt werden kann.

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