Wirtschaft von oben #215 – China in der Antarktis: Hier baut China seine strategische Präsenz in der Antarktis aus

China baut gerade eine neue Forschungsstation in einem selbst für die Antarktis abgelegenen Teil. Es ist bereits die fünfte.
Auf die Xuelong 1 und Xuelong 2 ist China mächtig stolz. Die beiden Schiffe – auf Deutsch: Schneedrachen – sind eine Mischung aus Eisbrecher und Forschungsschiff. Gebaut, damit chinesische Wissenschaftler in die Arktis und Antarktis gelangen und jede Menge Material mitnehmen können. Immer, wenn die beiden Schiffe chinesische Gewässer verlassen und nach Monaten zurückkehren, berichten die Staatsmedien ausgiebig.
Gerade ist einer der Schneedrachen wieder einmal aus der Antarktis zurückgekehrt. Dort sind die Chinesen derzeit so aktiv wie keine andere Nation, belegen exklusive Satellitenbilder von LiveEO.
Und das trotz einer enormen Entfernung: Wenn man in Peking ein Loch bohren und sich einmal durch den Planeten graben würde, käme man im Südatlantik zwischen Argentinien und der Antarktis wieder heraus. Es gibt also kaum einen Ort, der weiter vom chinesischen Machtzentrum entfernt ist als die Antarktis-Region.
Trotz dieser Distanz verfolgen die Chinesen auf dem Eis-Kontinent große Ambitionen. Wie aktiv sie in der Region sind, geht aus einem kürzlich vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) veröffentlichten Bericht hervor. Laut der Washingtoner Denkfabrik schreitet insbesondere der Bau der am Rossmeer gelegenen Station schnell voran.
Bisher wird sie schlicht als Neue Station bezeichnet. Es handelt sich dabei bereits um Chinas fünfte Forschungseinrichtung am Südpol.
Die Neue Station wird über eine Satelliten-Bodenstation verfügen, die sowohl für wissenschaftliche Kommunikation als auch für Spionage genutzt werden könnte, wie die Analyse der Satellitenfotos zeigt. So würde sich die Lage der derzeit im Bau befindlichen Station beispielsweise eignen, um Telemetriedaten von Raketen zu sammeln, die aus Australien oder Neuseeland gestartet werden.
Gemäß internationalem Recht darf China, wie viele andere Nationen auch, in der Antarktis präsent sein. Auch Südkorea etwa hat sich, unweit der chinesischen Great-Wall-Station, niedergelassen. Rund um die King-Sejong-Station liegen wiederum eine polnische und mehrere argentinische Stationen. King George Island, auf der sich die Stationen Great Wall und King Sejong befinden, ist der dem argentinischen Festland am nächsten gelegene Teil der Antarktis.

Die Grundlage für diese Präsenz in der unwirtlichen Gegend ist der Antarktisvertrag. Das internationale Abkommen regelt die politischen und wirtschaftlichen Aktivitäten auf dem Kontinent. Es wurde 1959 ursprünglich von zwölf Staaten, einschließlich der USA und der damaligen Sowjetunion, unterzeichnet.
Heute beteiligen sich mehr als 50 Staaten. Der Vertrag legt fest, dass die Antarktis nur für friedliche Zwecke genutzt und keine militärischen Aktivitäten dort ausgeführt werden dürfen. Souveränitätsansprüche auf den antarktischen Kontinent sind ausgeschlossen.
Für China war der Beitritt alles andere als einfach. 1981 wurde der erste Versuch, dem Vertrag beizutreten, abgelehnt. Peking empfand dies als Demütigung. Zwei Jahre später gelang der Beitritt dann. Kurz darauf begann der Bau der Great-Wall-Station, Chinas erster Niederlassung in der Region.
Laut CSIS ist China nun in der Antarktis aktiver als jede andere Nation. Dies sei „Teil seiner breiteren Bestrebungen nach globalem Großmachtstatus“. Peking möchte als starke Antarktisnation wahrgenommen werden und hofft, durch seine wachsende wissenschaftliche Präsenz den Weg zu ebnen, eine größere Stimme in der künftigen Verwaltung der Region zu haben.
Streitpunkte gibt es viele: Zum Beispiel, ob eines Tages das Abbauen von Mineralien in der Region erlaubt sein soll oder in welchem Umfang Fischfang betrieben werden darf. Zusammen mit Russland blockiert China bereits seit Jahren die Einrichtung neuer Schutzgebiete.
Laut CSIS könnte China in der Antarktis jedoch mehr im Sinn haben, als nur sein geopolitisches Gewicht zu demonstrieren. Die Ausrüstung der chinesischen Stationen könnte den CSIS-Autoren zufolge, die sich auf einen Bericht des US-Militärs berufen, zur Spionage genutzt werden. Sie warnen vor „Dual-Use-Technologien“, die „zumindest teilweise dazu dienen könnten, die Volksbefreiungsarmee zu unterstützen“.
Neueste Berichte deuten zudem darauf hin, dass China plant, seine Zhongshan-Station mit zusätzlichen Antennen zu erweitern. Die Antennen werden Berichten zufolge von der China Aerospace Science and Industry Corporation (CASIC) gebaut.
Laut CSIS könnte China die neuen Antennen nutzen, um Informationen über ausländische Militärs im Indischen Ozean zu sammeln. Es wäre denkbar, dass China von der Antarktis aus die indischen Seestreitkräfte überwachen könnte.

China stellt die eigenen Aktivitäten denen anderer Nationen entgegen. „Während Länder wie Australien über die Absichten und Aktivitäten Chinas in der Antarktis besorgt sind, ist China auch besorgt über die Absichten und Aktivitäten anderer Länder in der Antarktis“, schreibt die Geo-Ökonomin Yun Jiang in einer kürzlich veröffentlichten Studie für das Australian Institute of International Affairs (AIIA).

Zhang Xia, der Direktor des chinesischen Polarforschungsinstituts, bezeichnet die Vereinigten Staaten als das Land in der Region, „das die militärischen Ressourcen in weitaus größerem Umfang einsetzt als jedes andere Land“.
Mitarbeit: Jannik Deters
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