Der Schatz unterm Erzgebirge

Minenunternehmen aus aller Welt suchen im Erzgebirge zwischen Dresden und Aue nach Lithium und Kobalt für E-Autobatterien. Die Suche ist unnötig kompliziert – weil die Bundesregierung nach der Wende einen schweren Fehler gemacht hat.

DER RAUSCH
Im Erzgebirge herrscht Goldgräberstimmung. Bergbauunternehmen aus Australien, Deutschland, Kanada und den USA bohren an Dutzenden Orten nach Lithium und Kobalt. Beide Metalle gelten als unverzichtbare Zutaten für den Bau moderner Batterien, und damit auch für den Durchbruch des Elektroauto

Kobalt etwa haben Bergleute schon vor Jahrhunderten im Erzgebirge abgebaut. Es lieferte die blaue Farbe in Glaswaren und im Zwiebelmuster auf dem weltberühmten Meissener Porzellan. So lange, bis Chemiker billige synthetische Farben entwickelten. Dass das Metall einmal eine Schlüsselrolle bei der Herstellung von E-Autos spielen würde, konnte damals niemand ahnen.

Heute ist der Bedarf gewaltig. Allein in den nächsten drei Jahren wollen Autobauer laut der Unternehmensberatung McKinsey weltweit 350 neue E-Auto-Modelle auf den Markt bringen. Die Produktion soll bis 2020 von aktuell einer Million Wagen auf fünf Millionen steigen. Manch ein Zulieferer warnt bereits, dass die Lithium- und Kobaltvorkommen der Welt dafür nicht ausreichen.

Lithium gibt es in Australien, Chile und Bolivien, das noch etwas seltenere Kobalt vor allem im Kongo. Beide Metalle haben sich zudem im Erzgebirge in riesigen Granitkörpern abgelagert, die vor 300 Millionen Jahren unterhalb von Vulkanen entstanden sind. Unter der Berglandschaft zwischen Aue und Dresden schlummern so vermutlich mindestens vier Prozent der weltweiten Lithium-Reserven. Nur: wo genau und wie viel wirklich, das weiß niemand.
Vor allem ausländische Unternehmen sehen Chancen in Sachsen
Wo welche Unternehmen in Sachsen nach Lithium und Kobalt suchen (Auswahl)
Hohwald
(Kobalt)
Nickelhütte Aue (DE)
Sosa, Aue
(Lithium, Kobalt)
Teutonic Exploration (AUS),
Vital Metals (AUS)
Eichigt, Klingenthal, Gottesberg
(Lithium)
Trilithium Erzgebirge (AUS), TGER (AUS),
Tin International (DE)
Zinnwald, Falkenhain, Sadisdorf
(Lithium)
Deutsche Lithium (DE,CA), 
Lithium Australia (AUS),
Tin International (DE)
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DIE SUCHE
Wertvolle Proben
Diese Bohrkerne aus 128 Meter Tiefe sollen für Lithium Australia den Beweis liefern, dass genug Lithium im Boden bei Sadisdorf lagert, damit sich ein Bergwerk lohnt. 
Der türkisfarbene Bohrturm fällt kaum auf zwischen den riesigen Nadelbäumen ganz in der Nähe des Erzgebirgsortes Sadisdorf. Hier lassen das australische Rohstoffunternehmen Lithium Australia sowie die Deutsche-Rohstoff-AG-Tochter Tin International derzeit nach Lithium suchen. 

Alte Unterlagen und Gesteinsproben aus DDR-Zeiten hatten die Geologen beider Unternehmen darauf gebracht, dass hier jener Rohstoff zu finden ist, der heute in jedem iPhone, in jedem Tesla und in jedem Laptop steckt...
Das Wichtigste in Kürze:

• Lithium Australia und Deutsche Rohstoff AG wollen mit neuen Bohrproben aus Sadisdorf alte DDR-Proben bestätigen. Erste Labor-Ergebnisse zeigen auch in den neuen Steinen den zu DDR-Zeiten gemessenen hohen Lithium-Anteil.

• Beide Unternehmen erwarten Lithium für zehn Millionen-E-Autos im Boden unter Sadisdorf.
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Albert Gruber steht in einem Jahrhunderte alten, zur Hälfte eingestürzten, Bergbaustollen. Bekleidet ist er mit einer neonfarbenen Warnjacke und einem Bauarbeiterhelm. Nebenan, allerdings 128 Meter tiefer unter der Erde, frisst sich ein ringförmiger Bohrkopf immer weiter senkrecht in den Berg. Gruber zeigt auf die Stellen im Gestein, die zwischen dem weißen Quarz silbern bis schwarz schimmern. „So sieht Lithium-Glimmer aus.“

An manchen Steinen lässt sich dieser Lithium-Glimmer wie Blätterteig Schicht für Schicht herauspulen. Nach dieser Erzverbindung sucht der Geologe für das australische Bergbauunternehmen Lithium-Australia. Denn aus Lithium-Glimmer lässt sich Lithium gewinnen, der Grundstoff für den Bau moderner Batterien. Er gilt als unverzichtbar vor allem für die Herstellung von Elektroautos.

Hier, nahe der kleinen Erzgebirgssiedlung Sadisdorf, vermutet Gruber mindestens 50.000 Tonnen Lithium, genug für rund zehn Millionen Fahrzeuge. Stützen kann er sich dabei bislang auf alte Unterlagen aus DDR-Zeiten. Das ist zu wenig für seinen börsennotierten Arbeitgeber. Deshalb sucht Gruber nun in der Tiefe nach neueren Beweisen.

Neben Gruber, im dichten Nadelwald, wummert ein Dieselmotor, um das Bohrgestänge anzutreiben. Zwei Arbeiter werden später ein zylinderförmiges Stück Granit von einem Meter Länge aus dem Loch wuchten und die Gesteinsprobe sorgsam in eine Holzkiste packen. Sie und weitere solcher Bohrkerne sollen in den nächsten Wochen im Labor den Beweis liefern, dass es lohnt, hier, 20 Kilometer südlich von Dresden, ein Bergwerk zu bauen. Die ersten Labor-Ergebnisse an den neuen Proben bestätigen einen sehr hohen Lithium-Anteil. 
Geologe mit Vision
Albert Gruber, hier vor dem Bohrtum in Sadisdorf, gibt sich überzeugt, dass er auf einem Schatz sitzt. Mit der Autoindustrie, die in den nächsten Jahren jede Menge Lithium brauchen wird, sei er bereits in Gesprächen.
Was glauben Sie, wie viel Lithium steckt in einer Tonne Granitgestein unter Sadisdorf? 
50 Gramm
2 Kilogramm
65 Kilogramm
Falsch! Es ist schon etwas mehr. In den rund 100 Kilogramm Lithium-Glimmer, die in einer Tonne Granitgestein stecken, finden sich immerhin zwei Kilogramm pures Lithium. Zudem lassen sich daraus noch Metalle wie Zinn und Wolfram gewinnen.
Richtig! In den 100 Kilogramm Lithium-Glimmer, die in einer Tonne Granitgestein stecken, finden sich zwei Kilogramm pures Lithium. Zudem lassen sich daraus noch Metalle wie Zinn und Wolfram gewinnen.
Falsch! Ganz so viel ist es dann doch nicht. In den 100 Kilogramm Lithium-Glimmer, die in einer Tonne Granitgestein stecken, finden sich zwei Kilogramm pures Lithium. Zudem lassen sich daraus noch Metalle wie Zinn und Wolfram gewinnen.
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DAS PROBLEM
Altes Wissen mit neuem Wert
Archivar Axel Hiller wacht über die Laborberichte vom ehemaligen deutsch-sowjetischen Uran-Unternehmen Wismut. Das hatte zu DDR-Zeiten überall im Erzgebirge, auf der Suche nach dem radioaktiven Metall, gebohrt. 
Bergbauunternehmen, die im Erzgebirge nach Kobalt und Lithium suchen, kommen am Archiv der Wismut nicht vorbei. Das einstige Gemeinschaftsunternehmen von DDR und Sowjetunion förderte vor der Wende Uran für die Atombombenproduktion der Sowjetunion. Auf der Suche nach dem strahlenden Metall hat es das Erzgebirge bei Erkundungsbohrungen regelrecht durchlöchert. In kaum einer anderen Region der Welt wurde im vergangenen Jahrhundert der Boden genauer untersucht.

Doch das damals gesammelte Wissen ist zu einem großen Teil verloren. Die Bundesregierung hatte in den Neunzigerjahren entschieden, die meisten dieser Bohrproben aus Kostengründen vernichten zu lassen. Der daraus resultierende Schaden ist gewaltig...
Das Wichtigste in Kürze:

• Das Bundeswirtschaftsministerium ließ nach der Wende Hunderttausende Meter DDR-Bohrproben aus der Uran-Suche vernichten, weil ihm die Lagerung zu teuer war.

• Verlorene Daten wären heute Hunderte Millionen Euro wert und würden die Suche nach Lithium und Kobalt stark vereinfachen.

• Erkundungsunternehmen müssen statt dessen mit alten, lückenhaften und ungenauen Laboranalysen aus dem Wismut-Archiv auskommen.
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Axel Hiller zeigt auf einen Stapel Holzkisten, auf die mit weißer Farbe die Zahlen-Buchstaben-Kombination BL346A gemalt ist. „Das ist sie, die einzige Bohrung, die aus DDR-Zeiten bei uns übrig ist.“ Hiller, kakifarbener Anzug, schütteres graues Haar, leitet das geologische Archiv beim früheren Uran-Unternehmen Wismut, das heute dem Bundeswirtschaftsministerium unterstellt ist.

1990, nach dem Ende der DDR, lagerten in den Regalen der Wismut noch eine Million Meter Bohrkerne, die das Unternehmen auf der Suche nach Uran gesammelt hatte. Die zylinderförmigen Gesteinsproben aus der Tiefe waren ein unglaublicher Schatz. Aus ihnen ließ sich lesen, was im ostdeutschen Boden steckt. Zwischen 1993 und 1995 konnten die Geologischen Ämter der Bundesländer zwar einen Teil der Bohrkerne retten, die sie in ihre eigenen Archive einsortierten. Den überwiegenden Teil verscharrte die Wismut aber auf Abraumhalden. „Um Lagerkosten zu sparen“, sagt Hiller, der die Wegwerfaktion miterlebt hat.

Heute zeigt sich, dass das Bundeswirtschaftsministerium unter den FDP-Ministern Jürgen Möllemann und Günter Rexrodt damals einen schweren Fehler beging. Es vernichtete den größten Teil jener Proben, mit denen Erkundungsfirmen heute viel einfacher und vor allem genauer ermitteln könnten, wo es lohnt, nach Lithium und Kobalt zu graben.

Ein paar davon liegen noch im Geologischen Bohrkernarchiv des Freistaates Sachsen. Ohne solche Proben aber ist die Suche nach den wertvollen Rohstoffen aufwendig und teuer. Ein Meter Bohrung kostet heute um die 1000 Euro. Der Wert der in den Neunzigerjahren weggeworfenen Proben geht in die Hunderte Millionen Euro.

Hiller hat jedoch noch Zehntausende Laborberichte aus DDR-Zeiten. Die sind zumindest ein Puzzleteil bei der Suche nach den noch nicht geborgenen Schätzen. Es riecht etwas muffig in den Räumen am äußersten Ende des Wismut-Gebäudes, am Schacht 371, unweit von Aue. In den Regalen hier lagern in riesigen Mappen alte meterlange Bögen. Auf die sind Bohrprofile gezeichnet, im Maßstab 1:200. Die Zeichnungen zeigen, welche Metalle in welcher Tiefe gefunden wurden. Viele Bögen sind in russischer Sprache.

Damals haben die sowjetischen und ostdeutschen Chemiker die Proben selten gezielt auf Lithium und Kobalt untersucht. „Lithium war nur ein Indikator, dass Uran nicht weit ist“, sagt Hiller. Die Labors haben meist nur einfache Analysen gemacht, die Steine verdampft und anhand der Lichtbrechung die Elemente ermittelt. Die Werte sind so unpräzise, dass sich eine auf dem Papier wirtschaftlich erscheinende Lagerstätte oft als unwirtschaftlich erweisen kann.

Hin und wieder gab es aber besonders eifrige Chemiker, die die Probe genauer auf Kobalt und Lithium geprüft haben. Das sind die wirklich wertvollen Berichte. Der Freistaat Sachsen lässt solche und andere geologischen Unterlagen nun digitalisieren, um die Suche in den nächsten Jahren zumindest etwas zu vereinfachen und die zwischen 1993 und 1995 gemachten Fehler wieder gutzumachen. Auch die Wismut hat inzwischen etwa ein Drittel ihrer Akten digitalisiert – meist durch mühevolles Abtippen, da die Berichte in der Regel handgeschrieben sind.
Trauriger Rest
In Bad Schlema lagern die letzten DDR-Bohrkerne, die bei der Wismut übrig sind. Der größte Teil der Proben von damals, die heute Hunderte Millionen Euro wert wären und Aufschluss über Lithium- und Kobaltlagerstätten geben könnten, wurden nach der Wende entsorgt. Ein kleiner Teil ging an die Bundesländer.
Ohne diese zwei Metalle funktioniert keine moderne Batterie
Lithium
Schon in den Siebzigerjahren experimentierte der US-Ölkonzern Exxon mit Lithium als Energiespeicher. Doch das Material explodierte im Labor. Erst 1991 gelang es dem japanischen Elektronikunternehmen Sony, Lithium-Cobaltdioxid-Akkumulatoren herzustellen. Anders als Nickel-Cadmium-Batterien oder Nickelmetall-Hybrid-Batterien gehen diese nicht kaputt, wenn der Nutzer sie nicht vollständig entlädt. In der Batterie wandern die Lithium-Ionen vom Minus- zum Plus-Pol, dabei gibt diese Energie ab.
Kobalt
Kobalt kommt als Spurenelement zwar in den meisten Böden vor, in höheren Konzentrationen ist es allerdings sehr selten. In modernen Lithium-Ion-Akkus besteht die positive Elektrode aus Kobalt-Oxid, die negative aus Grafit. Zwar lassen sich Lithium-Akkus auch mithilfe von Eisenphosphat statt Kobalt-Oxid fertigen. Allerdings sind diese weniger leistungsfähig und damit für E-Autos und Smartphones ungeeignet.
DER FUND
Fast am Ziel
Armin Müller will schon im nächsten Jahr damit beginnen, unter diesem historischen Stollen ein Bergwerk zu bauen. Das soll ab 2021 insgesamt in Zinnwald rund 100.000 Tonnen Lithium fördern.
Das erste Lithium-Bergwerk Deutschlands soll unter dem Wintersportort Zinnwald entstehen, nahe der tschechischen Grenze. Hier haben der insolvente Solaranlagenbauer Solarworld und das kanadische Bergbauunternehmen Bacanora Minerals einen riesigen Erzkörper entdeckt. Der kann Lithium für rund 20 Millionen Elektroautos liefern. 

Die Unternehmen hatten Glück. Solarworld war vor einigen Jahren auf einen der wenigen existierenden Hinweise gestoßen, dass sich eine Bohrung nach Lithium an dieser Stelle lohnen könnte.
 
2019 wollen die Unternehmen nun mit dem Bau des Bergwerks beginnen. Bergleute sollen dann Lithium bis aus Tiefen von 350 Metern fördern. Für Bacanora ist es eines von zwei großen Vorhaben. Im Nordwesten Mexikos baut das Unternehmen gerade eine weitere Lithium-Produktion auf, für die es schon Lieferverträge mit dem kalifornischen E-Auto-Hersteller Tesla geschlossen hat...
Das Wichtigste in Kürze:

• Die Unternehmen haben bereits 100 Tonnen Gestein in Zinnwald abgebaut, um gegenüber den Banken nachzuweisen, dass sie genug Lithium aus dem Stein herauslösen können.

• Insgesamt lagern 100.000 Tonnen Lithium unter Zinnwald, bis zu 40.000 Tonnen im benachbarten Falkenhain. Auch für diesen Standort hat die Deutsche Lithium die Rechte.

• Das 120 Millionen Euro teure Bergwerk in Zinnwald soll 2021 damit beginnen, Lithium zu fördern.
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Armin Müllers Plastikhelm schrammt an der Felsdecke. Das Kratzen hallt durch den fast vier Jahrhunderte alten Stollen. Einen halben Kilometer läuft der hoch gewachsene Mann, leicht gebückt, in den Berg hinein. Dann öffnet er eine schwere Stahltür, hinter der ein weiterer Stollen liegt. Breiter und höher. Müller kann hier aufrecht stehen. „Dieser Stollen ist Baujahr 2017“, sagt der Chemiker und schiebt sich die rahmenlose Brille die Nase hinauf.

Müller ist Chef von Deutsche Lithium, einem Gemeinschaftsunternehmen des insolventen Solaranlagenbauers Solarworld und des kanadischen Bergbauunternehmens Bacanora Minerals. Die haben sich das bislang größte Lithium-Vorkommen Deutschlands gesichert: einen gewaltigen Erzkörper, der sich von diesem Stollen, etwa 30 Kilometer südlich von Dresden, bis hinter die Grenze nach Tschechien erstreckt.

100 Tonnen Gestein hat er im vergangenen Spätsommer hinter der Stahltür im Stollen abbauen lassen. Bergarbeiter haben Löcher in den Granit gebohrt, sie mit Sprengstoff gestopft und diesen gezündet. Eine Grubenbahn, die Bergleute bis in die Vierzigerjahre benutzt hatten, um Zinn und Wolfram abzubauen, brachte die abgesprengten Steine aus dem Stollen.

„Dieses Gestein ist für die Banken“, erzählt Müller. Mit der Probe will er beweisen, dass er es schafft, genug Lithium aus dem Gestein zu lösen, damit sich der Abbau im großen Stil lohnt. Die Geldhäuser sollen dann das Bergwerk mitfinanzieren, das hier vom nächsten Jahr an, bis in 300 Meter Tiefe, entsteht. Um die 120 Millionen Euro soll das kosten.

Etwas nördlich von Zinnwald, im benachbarten Altenberg, wo sich Jahr für Jahr die Weltelite im Bobfahren trifft, zeigt Müller auf ein verlassenes Industriegebäude. Das lasse er wegreißen, um eine Rampe in den Berg zu bauen – und daneben eine Aufbereitungsanlage. In der will er das Gestein zermalmen lassen. Weil im Lithium-Glimmer auch Eisen steckt, lasse sich das Erz mit Magneten vom Quarz trennen.

In einem vom Chemiekonzern BASF betriebenen Chemiepark im brandenburgischen Schwarzheide plant Müller, eine Anlage zu bauen, die das Lithium raffiniert. In Chile, wo Müllers wichtigste Konkurrenten sitzen, müssen sie Lithium nicht aus dem Berg holen, sondern nur aus Seen und Flüssen filtern. Doch um das leicht entzündliche Material zu transportieren, müssen sie ein Zwischenprodukt fertigen: Lithiumcarbonat. Diesen Schritt spart sich Müller, was seine Kosten senke und, wie er betont, sein Verfahren wettbewerbsfähig mache.

Insgesamt lagern laut Müller auf deutscher Seite unter Zinnwald 100.000 Tonnen Lithium. Im nahen Falkenhain schlummerten weitere 30.000 bis 40.000 Tonnen. Auch die will er in Altenberg verarbeiten. Aus Dutzenden Probebohrungen bis in eine Tiefe von 350 Metern, Unterlagen aus Hillers Wismut-Archiv und vom sächsischen Oberbergamt geretteten DDR-Bohrkernen hat Müller ein 3-D-Modell des Erzkörpers errechnen lassen.

Darauf aufbauend lässt er gerade einen Bergbauplan erstellen, der regelt, wo er wann welche Stollen graben lässt. Im nächsten Jahr wird das eine Mutterunternehmen Bacanora dann wohl auch die restlichen 50 Prozent der Deutschen Lithium vom insolventen Partner Solarworld übernehmen – für voraussichtlich 30 Millionen Euro. Und 2021 soll das Bergwerk schließlich in Betrieb gehen.

Schon vor vielen Jahren hatte Müller die Ahnung, dass Lithium einer der gefragtesten Rohstoffe der Welt wird. Die Ahnung will er nun zu Geld machen.
Mit Deutsche-Lithium-Chef Müller unter Zinnwald

So entsteht das Bergwerk in Zinnwald
Bergleute graben 
Rampe und Hauptstollen

Mit Sprengstoff und
Bohrer graben sie Nebenstollen 
und Kammer
Sie bauen das Gestein in der 
Kammer ab, zur Stabilisierung 
des Berges lassen sie 
Säulen stehen
Anschließend füllen sie die Kammer 
mit Abraum, Zement und Flugasche 
auf. Nun können sie auch 
die Säulen abbauen
Nachdem die alte Kammer 
verfüllt ist, graben die Bergleute
eine neue Kammer
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DIE POLITIK
Rosa Fähnchen
Ein kleines Stück Stoff markiert in der tschechischen Stadt Graslitz die Stellen, wo das australische Unternehmen Auroch Minerals noch vor wenigen Wochen nach Kobalt gebohrt hat.
Dass sich die seltenen Batterierohstoffe als industriepolitisches Druckmittel einsetzen lassen, hat vor allem der populistische tschechische Premier Andrej Babis erkannt. Jenseits der Grenze lagern im Erzgebirge ebenfalls große Mengen Lithium. Die will Babis nun benutzen, um Batteriehersteller etwa aus Südkorea nach Tschechien zu holen.

Rohstoffunternehmen suchen hinter der Grenze zudem nach Kobalt, jenem Material, das der E-Autobranche zurzeit am meisten Sorgen macht. Kobalt ist besonders knapp und kommt zum größten Teil aus dem politisch instabilen Kongo. Im Erzgebirge gibt es zwar noch größere Mengen von dem Metall. Doch sind die Lagerstätten besonders schwer zu orten. Das musste gerade erst das australische Erkundungsunternehmen Auroch Minerals feststellen...
Das Wichtigste in Kürze:

• Tschechiens Premier Babis hat die Lithium-Abbaurechte des australischen Bergbauunternehmens European Metals eingezogen und will sie an einen tschechischen Staatskonzern vergeben.

• Die australische Firma Auroch Minerals sucht im tschechischen Westerzgebirge nach Kobalt. Ein solcher Fund wäre von großer Bedeutung, da China den Markt für die eigene E-Auto-Batterieproduktion leer kauft.
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Direkt hinter der Grenze zu Tschechien, in Böhmisch-Zinnwald, schlummern 200.000 Tonnen Lithium. Die Frage, wer die abbauen darf, ist hier zum Politikum eskaliert. Während in Sachsen die Beamten des Oberbergamtes die Genehmigungen erteilen, wer wo bohren und fördern darf, hat in Tschechien der neue rechtspopulistische Premier und Chemieunternehmer Andrej Babis das Thema zur Chefsache gemacht, nachdem er es im vergangenen Jahr als Wahlkampfthema entdeckt hatte.

Vor wenigen Wochen kündigte er einfach den Vorvertrag mit dem australischen Bergbauunternehmen European Metals Holding auf, das sich die Rechte gesichert hatte.

Stattdessen will Babis die Rechte dem tschechischen Staatskonzern Diamo zuschlagen und sich so Verhandlungsmasse verschaffen, um internationale Batteriehersteller im Inland anzusiedeln. Hierzu habe er schon Kontakt zu südkoreanischen und belgischen Verarbeitern aufgenommen, verkündete der Premier Ende Januar.

Im Erzgebirge lagern aber noch wertvollere Schätze als Lithium. Rund 100 Kilometer südwestlich von Böhmisch-Zinnwald, im Westerzgebirge, führt ein verrosteter Schlepplift vom tschechischen Städtchen Graslitz hinauf an die Stelle, wo vor wenigen Wochen das australische Unternehmen Auroch Minerals nach Kobalt gebohrt hat. Ein rosa Kunststofffähnchen, das, an einen Busch gebunden, im Wind weht, markiert die Stelle.

Kobalt ist der Stoff im E-Auto, der den Autobauern am meisten Bauchschmerzen bereitet. Rund 54 Prozent der weltweiten Förderung kommt aus dem Kongo. Dort kaufen chinesische Zwischenhändler derzeit den Markt leer und liefern bevorzugt an chinesische Hersteller. Westliche Einkäufer haben kaum eine Chance. So versucht etwa VW seit Monaten einen Kobaltlieferanten aufzutreiben – bislang ohne Erfolg.

Kobalt aus dem Erzgebirge könnte für deutsche Autobauer eine Alternative sein. Doch es zu finden, ist besonders knifflig. Anders als Lithium verstecke sich das Metall meist in 10 bis 15 Zentimeter dicken und Hunderte Meter langen Adern, erzählt der Geologe Enrico Kallmeier.

Die australische Firma Auroch hatte in Graslitz kein Glück. In den Proben, die sie aus dem Boden genommen hat, steckte deutlich weniger Kobalt, als es eine Messung in von Bergleuten über Jahrhunderte aufgeschütteten Abraumhalden ganz in der Nähe vermuten ließ. So wenig, dass der Abbau nicht lohnt. Ob Auroch Geld für weitere Bohrungen ausgibt, ist ungewiss. Scheint doch das Risiko, am Ende als Erkundungsunternehmen leer auszugehen, auch durch die Politik der tschechischen Regierung gestiegen zu sein.
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DIE LÖSUNG
Riesige Anomalien
Der Geologe Enrico Kallmeier hat aus den Bächen im Erzgebirge 4000 Sedimentproben genommen und große Ansammlungen von Kobalt und Lithium entdeckt. Nur wo die genau liegen, weiß er noch nicht. 
Die DDR-Bohrproben mögen zum größten Teil verloren sein. Doch zumindest dämmert im Bundeswirtschaftsministerium die Erkenntnis, dass die Bodenschätze im Erzgebirge für Deutschlands Wirtschaft wichtig werden könnten. So lassen die Beamten zurzeit analysieren, welche für die deutsche High-tech-Wirtschaft interessanten Rohstoffe noch zwischen Dresden und Aue lagern.

Dabei geht es auch um Lithium und Kobalt. Von beiden Metallen haben Geologen bei ihrer Untersuchung große Ansammlungen geortet.

Früher nahmen Geologen an, dass wertvolle Erze sich nur am oberen Rand der riesigen unterirdischen Granitblasen gesammelt haben, als die entstanden sind. Inzwischen wissen sie aber, dass beispielsweise Kobalt und Lithium auch in Tiefen von mehreren Kilometern vorkommen. Computermodelle sollen nun dabei helfen, diese Lagerstätten aufzuspüren...
Das Wichtigste in Kürze:

• Sedimentproben und Computeranalysen zeigen riesige Lithium- und Kobalt-Ansammlungen im Erzgebirge.

• Im Westerzgebirge gibt es bei Eibenstock eine große Lithium-Konzentration, die Erkundungsunternehmen nun genauer untersuchen müssen.

• 3-D-Modelle vom Erzgebirge sollen den Erkundungsfirmen helfen, an den richtigen Stellen zu bohren.
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Geologe Enrico Kallmeier zeigt auf die kleinen weißen Säcke mit Sand: Darin hat er einen hohen Anteil an Kobalt und Lithium entdeckt. Sie sind ein Hinweis darauf, wo es sich lohnt, zu schürfen.

Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums arbeitet der 37-Jährige, kurze Haare, blonder Vollbart, an einem Projekt, das ermitteln soll, wo sich der Bergbau im Erzgebirge wieder lohnt. Hierzu hat er mehr als 4000 Sedimentproben von unterschiedlichen Stellen in Bächen genommen.

Die Analysen übertrug er in Datenbanken, ergänzte sie mit Geodaten – und ließ den Computer die Wahrscheinlichkeit errechnen, wo das Wasser welche Sedimente abgespült hat und wo noch wertvolle Rohstoffe lagern.

Um seine Prognosen noch präziser zu machen, fügt Kallmeier seiner digitalen Karte, die er aus den Sedimentsproben erstellt hat, die Daten aus verschiedenen Bohrungen, historischen wie aktuellen, hinzu. So entwirft er ein 3-D-Modell des Erzgebirges.

Das soll den Erkundungsunternehmen helfen, genau dort zu bohren, wo die Wahrscheinlichkeit am größten ist, auf Rohstoffe zu stoßen. Ende des Jahres will das Beratungsunternehmen Beak, für das Kallmeier arbeitet, erstmals ein solches 3-D-Modell für Lithium-Vorkommen anbieten. „Im Moment wissen wir nur, hier ist noch eine Menge im Boden.“

Im Westerzgebirge etwa erstrecke sich über zehn oder mehr Kilometer eine Gesteinsschicht, in der es auffällig viel Lithium gibt. Um darin eine ähnlich große Lagerstätte wie in Zinnwald auszumachen, müssten Rohstofffirmen nun engmaschiger suchen.
„Im Moment wissen wir nur, hier ist noch eine Menge im Boden.“
Geologe Enrico Kallmeier
Text: Thomas Stölzel, Martin Seiwert; Produktion: Thomas Stölzel; Video: Patrick Schuch; Fotos: Patrick Schuch, Wikipedia; Illustration: Carsten Stollmann; Produziert mit Storyflow
10. April 2018
© WirtschaftsWoche 2018
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