„Es gibt im Bereich Legal and Compliance leider keine 'One-Size-fits-all'-Lösung“
Patrick Späth, Experte für Legal and Compliance, im Gespräch mit Alexandre Moreau
Legal and Compliance
- 07.04.2025

Hallo Patrick, du bist nun seit beinahe zwanzig Jahren einer der führenden Experten in Deutschland, wenn es um die anwaltliche Vertretung von internationalen Unternehmen in Compliance-Fragestellungen geht. Was hat dich damals zu diesem Rechtsgebiet motiviert?
Patrick Späth: Motiviert und fasziniert haben mich als Berufsanfänger seinerzeit eine Reihe von Umständen. Erstens: Es gab Mitte der 2000er Jahre viele sehr renommierte Unternehmen, die in Korruptionsaffären verwickelt wurden. Eine Frage war: wie kann das passieren, obwohl diese Unternehmen hervorragende Produkte haben? Eine andere: was treibt Mitarbeiter an, sich dem Risiko der Strafbarkeit und/oder des Verlusts ihres Jobs auszusetzen? Zweitens: Compliance-Untersuchungen bezüglich deutscher Unternehmen wurden häufig durch Ermittlungen ausländischer Behörden, insbesondere des US-Justizministeriums (Department of Justice) und/oder der US-Börsenaufsicht (Securities and Exchange Commission) ausgelöst. Ich hatte mich in der Ausbildung sehr intensiv mit den Voraussetzungen und Auswirkungen grenzüberschreitenden staatlichen Handelns befasst und konnte in der Beratung „live“ miterleben, wie das praktisch funktionierte. Drittens: auf viele Fragen gab es keine vorgefertigten Antworten in juristischen Handbüchern und es gab keine Rechtsprechung. Umso motivierender war es für mich, juristisch belastbare und praktisch umsetzbare Lösungen für die Probleme meiner Mandanten zu entwickeln.Wagen wir eine Aussicht in die Zukunft, welche regulatorischen Entwicklungen sollten Unternehmer derzeit auf jeden Fall im Blick behalten?
Um drei besonders wichtige Bereiche herauszugreifen:Im Bereich der ESG-Regulatorik vergeht keine Woche, ohne dass neue regulatorische Entwicklungen angekündigt werden. Auch wenn es sich hierbei in letzter Zeit häufig um Modifikationen existierender Regulierung handelt oder sogar eine Reduzierung regulatorischer Anforderungen versprochen wird, ist dies für Unternehmer sehr bedeutsam, weil die ESG-Regulatorik bei geschäftspolitischen und Investitionsentscheidungen stets mitzudenken ist. Für Unternehmen ist es in politisch und ökonomisch ungewissen Zeiten sehr herausfordernd, die ESG-Regulatorik als „moving target“ mitzuverfolgen.
Innerhalb der EU ist die grenzüberschreitende Kooperation zwischen Justizbehörden verstärkt worden und es sind supranationale Behörden wie die Anti-Money-Laundering-Authority und die Europäische Staatsanwaltschaft eingerichtet worden. Dadurch erhöht sich generell das Risiko und die Effektivität von Ermittlungen wegen Compliance-Verstößen.
Wirtschaftssanktionen und Gegenmaßnahmen betroffener Staaten sind in der gesamten Value Chain zu berücksichtigen. Aufgrund geopolitischer Dynamiken gibt es auch hier laufend neue Entwicklungen.
Eigene Compliance-Strukturen beschäftigen immer mehr Unternehmen, gerade auch aus dem Mittelstand. Wie können sich Unternehmen hier bestmöglich in Stellung bringen?
Die Kunst besteht darin ein effektives und effizientes Compliance-Management-System einzurichten, dass laufend an neue Risiken adaptiert wird. Es gibt im Bereich Legal and Compliance leider keine „One-Size-fits-all“-Lösung. Der Gesetzgeber hat nur in wenigen Bereichen (zum Beispiel Geldwäsche-Prävention und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) näher definiert, welche Compliance-Strukturen erforderlich sind. Und selbst dort, wo das Gesetz konkretere Vorgaben machen, verbleiben Auslegungsfragen und die Umsetzung muss im Einzelfall angemessen sein.Ein effizienter Einsatz von Ressourcen gelingt am besten, wenn in der Phase der Konzeptionierung der Compliance-Strukturen genau untersucht wird, in welchen Bereichen Risiken bestehen und welche Compliance-Tools bereits existieren. Daraus lässt sich ableiten, welche zusätzlichen oder geänderten Compliance-Strukturen erforderlich sind. Sind die Compliance-Strukturen erst einmal eingerichtet, sollte regelmäßig überprüft werden, ob diese noch effektiv sind und dem sich laufend ändernden Risikoprofil des Unternehmens entsprechen.
Vor allem in der Phase der Konzeptionierung entstehen häufig einmalige HR-Kosten. Hier bietet sich gegebenenfalls für einen begrenzten Projektzeitraum der fokussierte Einsatz externer Experten im Unternehmen an, die sich voll und ganz diesen Themen widmen können.