Immobilienexperte Christophe Lemery von Albert Immo über ökonomische Potenziale nachhaltiger Immobilien
Albert Immo
- 13.04.2022

An einer nachhaltigen Immobilienwirtschaft führt kein Weg vorbei
Die Notwendigkeit einer nachhaltigen Immobilienwirtschaft ergibt sich vor allem aus den folgenden Entwicklungen.Bodenversiegelung:
Angaben des Umweltbundesamtes zufolge sind 44 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland versiegelt – also betoniert, asphaltiert, bebaut, gepflastert oder in anderer Form befestigt. Dadurch können wichtige Bodenfunktionen wie der Abtransport von Regenwasser nur noch unzureichend erfüllt werden. Das führt wiederum zu reduzierten Grundwasservorräten und erhöhter Überschwemmungsgefahr.
Ein weiteres Problem besteht in der Reduktion der Bodenfruchtbarkeit. Ist der Boden langfristig von Wasser und Luft abgeschlossen, stirbt die empfindliche Bodenfauna. Zudem können versiegelte Böden kein Wasser verdunsten, was vor allem in Großstädten zu einer merklichen Temperaturerhöhung führt.
CO2-Ausstoß:
Beim Neu-, Um- und Rückbau von Gebäuden entsteht ebenso wie bei deren Versorgung mit Gas, Wasser und Energie CO2. So weisen laut einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen 50 geprüfte Gebäude eine durchschnittliche Emission von 440 Kilogramm CO2e/Quadratmeter über einen Lebenszyklus von 50 Jahren auf. Zwar bewege sich diese Zahl unter aktuellen Referenzwerten, sei in Hinblick auf den langfristigen Klimaschutz aber immer noch viel zu hoch.
Wirtschaftlicher Stellenwert:
Das Bauhaupt- und -nebengewerbe inklusive aller damit in Verbindung stehenden Dienstleistungsunternehmen umfasst Angaben des Zentralen Immobilien Ausschusses zufolge rund 837.000 Unternehmen mit 3,3 Millionen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigte. In Zusammenhang mit einer Bruttowertschöpfung von 318 Milliarden Euro kommt der Branche damit eine Schlüsselrolle innerhalb der deutschen Wirtschaft zu.
Daraus folgt, dass die Immobilienbranche nicht einfach ohne jedes Maß und Ziel reguliert werden kann. Vielmehr muss künftige Wertschöpfung Hand in Hand mit ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit gehen – und das über den gesamten Wertschöpfungsprozess hinweg, von der Flächennutzungsplanung bis zum Property Management.
Welche vielfältigen Möglichkeiten dabei bestehen, sollen im Folgenden einige Beispiele illustrieren.
Grüne Finanzierung
Grundvoraussetzung für die Durchführung einer Projektentwicklung ist eine gesicherte Finanzierung. Entsprechend sollten Überlegungen über eine nachhaltige Immobilienwirtschaft bereits hier ansetzen. Eine einflussreiche Richtlinie bilden dabei die ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance), die 2021 durch den EU Sustainable Finance Action Plan der EU, insbesondere durch die Taxonomie- und die Offenlegungs-Verordnung, präzisiert wurden. Damit hat der Gesetzgeber verbindliche Kriterien geschaffen, nach denen sich Immobilienfonds als grün, ESG-konform oder nachhaltig bezeichnen dürfen.Grundsätzlich kann man zwei Formen nachhaltiger Finanzierung unterscheiden.
Zweckgebundene Finanzierung:
Emissionserlöse werden ausschließlich für Projekte mit positiven Effekten auf Umwelt und Gesellschaft verwendet. Hierzu zählen unter anderem Social Bonds, Green Bonds und grüne Schuldscheine.
ESG-Linked-Finanzierung:
Bei der zweiten Form gibt es keine unmittelbare Bindung der Mittelverwendung an ein Nachhaltigkeitskriterium. Bedingungen für die Verwendung der Erlöse werden jedoch an bestimmte Nachhaltigkeitskriterien oder ein ESG-Rating geknüpft. Wenn sich die Nachhaltigkeit verbessert, wird die Finanzierung günstiger.
Dass sich das lohnt, zeigt etwa eine aktuelle Studie der Deutschen Hypo. So belief sich etwa 2019 das Transaktionsvolumen bei Einzeldeals über Green Buildings auf 11,6 Milliarden Euro. Das entspricht 22,6 Prozent des gesamten Marktvolumens – einem Plus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Umbau statt Abriss
Gerade in Großstädten gibt es wenige Freiflächen, die für Neubauten zur Verfügung stehen. Deshalb hat das Thema Nachhaltigkeit zu einem großen Teil auch damit zu tun, bestehende Gebäude zu modernisieren. Die Möglichkeiten hierzu sind vielfältig.Effektivere und umweltfreundlichere Heizungen:
Statt konventioneller Ölheizungen, deren Neuinstallation ab 2026 verboten ist, können etwa gasbetriebene Blockheizkraftwerke Wärme erzeugen. Auch Grundwasserwärmepumpen und Geothermie sind gangbare Methoden, Heiztechnik nachhaltiger zu gestalten. Ergänzt werden sollten die Maßnahmen durch hochwertige Dämmungen und Fensterwechsel.
Hervorzuheben ist dabei, dass momentan gerade einmal ein Prozent der Gebäude pro Jahr saniert werden. Um die Klimaziele zu erreichen, sollte dieser Wert zumindest verdoppelt werden.
Begrünte Dächer:
Durch eine Vielzahl von Ziegeldächern wird das Sonnenlicht in Großstädten stark reflektiert. Das führt wiederum zu einer merklichen Aufheizung. Eine gute Alternative stellen hier grüne Dächer dar, die Hitze absorbieren und dabei auch die Luftqualität verbessern. Zusätzlich nehmen sie Niederschlagswasser auf und geben es wieder ab. So wird verhindert, dass es in die Kanalisation fließt und zu Überschwemmungen führt.
Umnutzung statt Abriss:
Wird ein Gebäude für seine ursprüngliche Nutzung nicht mehr benötigt, ist ein Abriss oft die ungünstigste Möglichkeit. Er zieht einen großen personellen und finanziellen Aufwand nach sich und verursacht Abfall. Eine bessere Möglichkeit besteht in der Umnutzung. So können beispielsweise Industriehallen als Gewerbe- oder Sportflächen genutzt werden. Auch die Nutzung von Fabriken als geräumige Lofts hat eine lange Tradition.
Urban Mining:
Bei einem Abriss oder Umbau von Gebäuden fallen viele Materialien und Produkte an, die bei anderen Projekten wiederverwendet werden können.
Berücksichtigung unterschiedlicher Lebensdauern von Bauelementen:
Ein weiterer Ansatz kann darin bestehen, die Bauelemente, die als erstes verschleißen, mit leicht löslichen Verbindungen zu konstruieren. Bei Neubauten ist das beispielsweise der konstruktive Bereich und bei Bestandsbauten die Verlegung von Leitungen und Haustechnik-Systemen.
Aufstockungen und Dachgeschossausbau
Vor allem in Großstädten mit wenig verfügbarem Bauland wird es immer wichtiger, mit kreativen Mitteln Platz zu schaffen. So lassen sich etwa mit Aufstockungen zusätzliche nutzbare Etagen auf ein Haus aufsetzen, ohne dass dafür neue Flächen versiegelt werden müssen. Mit Dachgeschossausbauten auf der anderen Seite werden Flächen nutzbar gemacht, für die es vorher keine Verwendung gab.
Technologie-Einsatz
Auch der Einsatz moderner Technologien spielt eine immer größere Rolle, wenn es darum geht, Gebäude nachhaltig zu bewirtschaften. Möglichkeiten bestehen hier etwa darin, Licht und Heizung über Sensoren zu betreiben, die eine genaue Ausrichtung am tatsächlichen Bedarf ermöglichen. In diesem Zusammenhang werden Künstliche Intelligenzen und das Internet of Things immer wichtiger. Ein gutes Beispiel für einen prominenten Einsatz dieser Technologien ist The Cube in Berlin.
Abbau von Regularien
Vor allem bei Umbauten ergibt sich eine Vielzahl technischer und baurechtlicher Hürden. Hier sind etwa die Brand- und Schallschutzanforderungen sowie Kfz-Stellplätze und Abstandsregelungen zu nennen. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, Hürden abzubauen, damit Abrisse und Neubauten nicht länger als lohnendere Alternativen zum Umbau von Bestandsbauten betrachtet werden. Die dahinterliegenden Potenziale werden deutlich, wenn man einen Blick auf die Bestandszahlen in deutschen Großstädten wie Berlin wirft.
So wies beispielsweise Berlin im Jahr 2020 laut Statista-Erhebung einen Bestand von rund 330.000 Wohngebäuden auf. Die Zahl der fertiggestellten Neubauwohnungen hingegen belief sich Angaben des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg zufolge im selben Jahr auf gerade einmal 16.337.
Fazit
Der aktuelle Nachhaltigkeitstrend stellt die Immobilienwirtschaft vor große Herausforderungen, eröffnet aber auch lohnende Potenziale. Möglichkeiten, die Branche grüner zu gestalten, bieten sich dabei vor allem in den Bereichen Finanzierung und Projektentwicklung. Doch auch der Umbau von Bestandsobjekten kann in Großstädten wie Berlin einen großen Beitrag leisten, CO2-Emissionen zu senken, das Klima zu schützen und die Effektivität von Investitionen zu erhöhen. Eine der größten Herausforderungen wird dabei aber auf absehbare Zeit die Vielzahl gesetzlicher Regularien sein, die Bauvorhaben zum Teil erheblich verzögern und erschweren.