Jochen Eickholt übernimmt Windturbinenbauer Kann dieser Mann Siemens Gamesa retten?

Erprobter Krisenmanager: Jochen Eickholt. Quelle: imago images

Der Dax-Konzern Siemens Energy schickt Jochen Eickholt als Sanierer an die Spitze des kriselnden Windturbinenbauers Siemens Gamesa. Der Manager hatte schon so einige schwere Fälle gelöst – unter anderem beim ICE.

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Als Jochen Eickholt am 4. Dezember 2015 am Berliner Bahnhof Südkreuz den neuen ICE4 vorstellte und auf die Baureihe 412 taufte – an seiner Seite standen der damalige Bahnchef Rüdiger Grube und Ex-Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt – war Eickholt zwischenzeitlich auf dem Zenit seiner Karriere angekommen. Der Manager war ein Jahr zuvor als Chef von Siemens Mobility eingesetzt worden, um offensichtliche Probleme beim Hersteller der Hochgeschwindigkeitszüge zu lösen. Damals machte das Unternehmen vor allem mit Verzögerungen beim Bau der Züge und schlechten Zahlen von sich reden. Eickholt sollte die Sparte neu ausrichten – und er lieferte.

Für den Spartenchef war der Taufentag im Dezember 2015 daher auch ein persönlicher Tag des Triumphs. Er lobte die Deutsche Bahn für die „gute Zusammenarbeit“ und warb für die Spitzenleistungen des neuen ICE: 830 Sitzplätze, niedrigerer Energieverbrauch, modulares Konzept – und Klimaanlagen, die auf bis zu 45 Grad Celsius Außentemperatur ausgelegt sind. Der ICE4 sollte das neue Bild des Fernverkehrs der Bahn prägen. Und Eickholt war der Zeichner im Hintergrund.

Für den Siemens-Manager waren die ICE-Probleme, die vor allem die Vorgängervision ICE3 ausgelöst hatte, ein erster großer Test als Krisenmanager. Es folgten weitere Spezialeinsätze bei Siemens. Seine neuste Mission: Ab März 2022 soll der Manager beim kriselnden Windturbinenbauer Siemens Gamesa aufräumen. Der deutsch-spanische Konzern mit Sitz in Bilbao macht vor allem mit Gewinnwarnungen und technischen Problemen bei der wichtigsten Windkraftanlage 5.X von sich reden.

Es wirkt, als wäre die Zeit zurückgestellt. Bis heute ist der Velaro, das Grundmodell des ICE, ein Aushängeschild von Siemens. Die Windkraftturbine 5.X soll es auch werden. Seit Trennung der Sparten arbeitet Eickholt als Vorstand von Siemens Energy. Der Dax-Konzern hält 67 Prozent an Siemens Gamesa, der Windmühlen auf See und an Land baut und das dazugehörige Wartungsmanagement übernimmt. An und für sich stehen die Zeichen auf Wachstum. Weltweit bauen Staaten ihre Energiesysteme um. Vor allem die Windkraft übernimmt mehr und mehr die Stromproduktion von Atom, Gas und Kohle. Warum schockt Siemens Gamesa dann immer wieder die Märkte – zuletzt mit einer dritten Gewinnwarnung in wenigen Monaten?

Vor allem: Macht Eickholt nun alles besser?

In einem ersten Call blieb Eickholt zurückhaltend. Er freue sich auf die Aufgabe, sagte der designierte Windmühlen-Chef kurz und knapp. Fragen beantwortete er nicht. Dies übernahm Noch-Chef Andreas Nauen, der sogar Verständnis für seine Demission äußerte. Nauen erklärte die Probleme bei der Onshore-Technik mit gestiegenen Rohstoffpreisen etwa für Stahl und Kupfer vor allem im Jahr 2022. Derzeit leide Siemens Gamesa außerdem darunter, dass wichtige Teile für die Turbinen „einfach nicht geliefert werden wie bestellt“. Das Unternehmen versuche, die Lücken in der Logistikkette in Kooperation mit Siemens Energy zu schließen. Eickholt sei dorthin eben gut vernetzt.

Die heutigen Probleme bei Siemens Gamesa ähneln den Herausforderungen, die die Zugsparte von Siemens damals durchgemacht hatte. Eickholt hatte den Job als Chef von Siemens Mobility im Herbst 2014 übernommen. Siemens lieferte nachbestellte Züge der dritten Generation (ICE3) verspätet an die Deutsche Bahn und den Kanaltunnelbetreiber Eurostar. Es kam zu Problemen bei der internationalen Zulassung der Züge. Eickholt wurde geholt, um „einiges in Ordnung zu bringen“, hieß es damals. Er änderte den Einkauf, veränderte die „Anbindung der Lieferanten“ und band die Deutsche Bahn enger in die Abstimmung der Prozesse ein. Der Manager brachte Ruhe hinein – und löste die größten Probleme.

In den Jahren 2017 und 2018 sollte er die geplante Fusion von Siemens und Alstom organisieren. Eickholt selbst hätte den Chefposten bei einem zusammengeführten Konzern zwar abgeben müssen. Angesichts der Widerstände in Frankreich und Deutschland etwa bei den Gewerkschaften und auch in Brüssel bei der EU-Kommission wurde der Plan aber ohnehin fallengelassen. Seitdem wurschtelt Siemens alleine weiter. Der französische Wettbewerber Alstom hat im vergangenen Jahr den deutsch-kanadischen Konkurrenten Bombardier übernommen.

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Im Januar 2020 zog Eickholt dann in den Vorstand von Siemens Energy ein. Das Unternehmen wurde im Spätsommer des gleichen Jahres an die Börse gebracht. Bei dem Energiekonzern mit einem Jahresumsatz von 27 Milliarden Euro und rund 91.000 Mitarbeitern verantwortete Eickholt ausgerechnet das Öl- und Gasgeschäft, also jenes mit den fossilen Altlasten, dem schwierigsten Teil des gesamten Konzerns. Mit klaren Ansagen zur Neuausrichtung des Bereichs geizte Eickholt dabei nicht: „Wir haben einen klaren Plan, was die Maßnahmen betrifft, und den setzen wir um“, sagte Eickholt vor wenigen Wochen der WirtschaftsWoche. So siebte Eickholt etwa schlecht laufende Varianten der Turbinen und Kompressoren aus. Ob diese Maßnahmen greifen, wird sich erst in den kommenden Quartalen zeigen.

Gleiches gilt nun für Siemens Gamesa. Eickholt wird der dritte Chef in 18 Monaten – und es scheint, als wäre der derzeitige Chef Nauen die wesentlichen Herausforderungen bereits angegangen. Siemens Gamesa zog sich aus unrentablen Märkten wie China zurück und löste die größten Technikflops. Die Problem-Turbine 5.X, die irgendwann einmal der neue Stolz der Deutsch-Spanier werden soll, wurde in den vergangenen Wochen sogar schon produziert und aufgestellt – zuletzt vor zwei Wochen sogar in Brasilien. Das südamerikanische Land ist einer der wichtigsten Märkte für Siemens Gamesa.

Manager Eickholt wird die Aufgabe im März übernehmen. Smalltalk ist seine Sache nicht. Beim Call vor Journalisten sagt er nur: Es werde „nicht die einfachste Aufgabe“.

Mehr zum Thema: Die Wahrheit über die Windprobleme bei Siemens Gamesa: Vor allem die Plattformm 5.X für die neuste Generation der Windkraftturbinen machen den Deutsch-Spaniern zu schaffen

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