Es wäre eine unschöne Nachricht – und entschieden ist natürlich noch nichts. Aber das Fordwerk in Saarlouis mit 4800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern steht womöglich auf der Kippe. Denn Ford hat einen Standortwettbewerb losgetreten.
Die Fabriken im Saarland und jene im spanischen Valencia sollten sich um ein neues Elektroauto bewerben. Nur einer kann es künftig produzieren. Am 27. Januar haben beide Standorte ihre Konzepte eingereicht. Wo das Auto gebaut wird, entscheidet sich wohl Mitte 2022. Schon heute ist klar: Viele Fakten sprechen gegen den Standort in Deutschland. Und am Beispiel Saarlouis können die Beschäftigten anderer deutscher Autowerke besichtigen, was ihnen schlimmstenfalls droht.
Die Mitarbeiter in Saarlouis haben eine Beschäftigungssicherung. Sie gilt bis Mitte 2025, also ziemlich genauso lange, wie der produzierte Ford Focus voraussichtlich noch gebaut wird. Für die Zeit danach brauchen die Menschen eine neue Perspektive – doch ginge das neue E-Auto nach Spanien, müsste ein anderes Fahrzeug Auto in Saarlouis entstehen. Das ist nirgends sichtbar. Die Absatzzahlen von Ford sind in der Coronakrise eingebrochen. Der Mangel an Halbleitern bremst den Bau von Autos zusätzlich. Das Werk in Saarlouis soll im Jahr 2021 an rund 100 Tagen stillgestanden haben. Kurzarbeit.
Überkapazitäten müssen angegangen werden
Auch ohne diesen Mangel sind viele Werke in der Autoindustrie chronisch unterausgelastet. Ford geht es da nicht besser als anderen. Die Überkapazitäten müssen angegangen werden – zumal der Trend zu mehr E-Autos ohnehin weniger Mitarbeiter benötigt: In einem E-Auto werden schlicht weniger Teile verbaut. Saarlouis hat in den vergangenen drei Jahren bereits 2500 Stellen abgebaut. Man büßte ein Auto ein – und die Dauernachtschicht. Mittlerweile, sagt ein Gewerkschafter, gehe es um die Existenz.
Dass der Auftrag für das neue E-Auto zu Ford nach Spanien geht, ist zwar nicht ausgemacht, scheint aber logisch. Denn die Lohnkosten dort sind deutlich niedriger. Außerdem sind die Gewerkschaften in Spanien nicht so dominant wie jene in Deutschland. Hierzulande rasseln schon die Säbel: „Das wird laut und teuer für Ford, es wird im Fall der Fälle zu massiven Widerständen kommen“, tönt es in IG-Metallkreisen hinter vorgehaltener Hand. Auf der Habenseite hat Saarlouis womöglich zwar eine geplante Ansiedlung von einem Batteriehersteller. SVolt will an zwei Standorten eine Modul- und Packfabrik sowie eine Zellfabrik bauen. Kapazität: Batterien für bis zu 500.000 E-Autos im Jahr. Doch auch die Spanier bemühen sich in diesem Feld offenbar, um keinen Standortnachteil zu haben.
Für das Saarland geht es um viel: Nicht nur die 4800 Arbeitsplätze bei Ford wären womöglich weg – sondern mindestens 1500 weitere bei Zulieferern. Insgesamt sollen über 40.000 Arbeitsplätze im Land an der Autoindustrie hängen. Die Stahlindustrie etwa soll stark auf die Autoindustrie ausgerichtet sein. Die Politik ist deswegen wie immer in solchen Fällen stets bemüht.
Allein: Zeit, die sie hier für den Strukturwandel fordern, wird es kaum geben. Erst hat Ford die E-Mobilität verschlafen, nun will man mit einem Milliardenprogramm aufholen. Ab 2030 soll in Europa kein Verbrenner mehr verkauft werden.
15 bis 25 Prozent der deutschen Industriearbeitsplätze bei Herstellern und Zulieferern seien durch die Elektromobilität gefährdet, schätzt Stefan Bratzel, Direktor am Center of Automotive Management. Zumal viele Werke in Deutschland technisch und logistisch veraltet sind. Wer ein neues Werk für die Produktion von E-Autos bauen muss, wird sich überlegen, ob er das – wie VW mit seinem Projekt Trinity – auf eine grüne Wiese in Deutschland setzt – oder gleich in ein Land geht, wo billiger produziert werden kann. Ein Trend, seine Produkte in Billiglohnländern produzieren zu lassen, ist längst sichtbar. Osteuropa lockt.
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Ford in Saarlouis wäre also nicht das letzte deutsche Werk, was keine Zukunft mehr hat. So traurig das ist.
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