Mit einem kleinen, zerfallenen Häuschen in den Weinbergen im unterfränkischen Kitzingen fing alles an. Ende 2014 veröffentlichte der Winzer Michael Völker ein Foto seines urigen Weinberghäuschens im Internet. Christian Söder vom Landesbund für Vogelschutz (LBV) sah das Bild und vermutete sofort Fledermäuse in dem Haus. Der Tierschützer und der Winzer vernetzten sich - und schnell war die Idee des „Fledermausweins“ geboren. Für den Tropfen wird ein besonderer Dünger genutzt: der Kot des Großen Mausohrs. Was wie ein Marketingstreich klingt, ist für die zwei Macher ein alternatives Naturschutzprojekt.
Um den Wein zu produzieren, sammelten der Winzer und der Fledermausschützer den Kot – Guano genannt – von sieben großen Kolonien der Tiere im Landkreis Kitzingen. „Im Winter sind die Quartiere unbesetzt, da muss saubergemacht werden“, erklärt Söder. Für drei Kirchen und vier weitere Gebäude bedeutete das eine kostenfreie Reinigung, für die beiden Männer eine Menge Arbeit. Säckeweise transportierten sie den organischen Dünger ab.
Die Großen Mausohren leben oft über Generationen hinweg am selben Ort. Kirchen sind bei ihnen als Sommerresidenz begehrt. Daher kommt der Spitzname Kirchenfledermaus oder, wie Söder sie auch nennt: „die zuverlässigsten Kirchgänger“. Die größte Kolonie im Landkreis umfasst dem 49-Jährigen zufolge knapp 350 Tiere. „Rechtlich unterliegen die Tiere dem höchsten Schutzstatus“, sagt der Fledermausexperte.
Die beiden Wein-Macher entschieden, 20 Cent pro Flasche an den LBV zu spenden. Insbesondere soll damit der Erhalt des besonders gefährdeten Grauen Langohrs gefördert werden. Söder baut mit dem Geld neue Zuflüge in Dächer und sorgt so für neue Quartiere für die Tiere. Das Graue Langohr ziert auch das Etikett des Weins.
„Mit Guano düngen ist nichts Neues. Früher hat der Pfarrer das über seine Tomaten gekippt“, berichtet Söder. Auch in einem Papier der Koordinationsstelle für Fledermausschutz in Nordbayern wird Fledermaus-Kot als „wertvoller, stickstoffhaltiger Biodünger“ bezeichnet. Der Kot besteht aus den unverdaulichen Resten der Insekten, die die Fledermäuse gefressen haben und hat einen Stickstoffgehalt von bis zu 10 Prozent – je nach Art der Nahrung. Laut Bund Naturschutz werden die Exkremente von Fledermäusen in vielen Ländern als wertvoller Dünger genutzt.
„Mit meiner Frau bin ich über das Thema Naturwein gestolpert. Das fanden wir megaspannend“, sagt Völker. Der 34-Jährige erkannte im „Naturwein“ eine Marktlücke in Deutschland. Unter dem Label „2naturkinder“ produzierte er fortan Wein ohne Schwefel und Zusatzstoffe. Die rund 6000 Rebstöcke am Kitzinger Eselsberg bewirtschaftet er mit dem unkonventionellen Düngemittel aus Fledermausexkrementen.
„Der Dünger ist viel konzentrierter und hat rund zehn Prozent Stickstoffanteil“, erklärt Völker. Der Stickstoff sorge für größere Erträge und er benötige davon nur eine Handvoll Dünger pro Stock. Sein erster fränkischer „Fledermauswein“ ist bereits ausverkauft. Im Februar füllte er 2200 Flaschen des Schwarzrieslings ab und exportierte sie bis nach Kanada, Neuseeland und Australien.
Jetzt folgt der erste Fledermaus-Weißwein – rund 3500 Flaschen. Dabei bleiben soll es laut Söder nicht: „Das ist kein One-Shot-Projekt“ und auch Völker meint: „Unsere Ideenliste ist lang.“