Es ist eine sonderbare E-Mail aus dem Inneren von Tesla, die im Netz für Aufregung sorgt: „Es wird von allen Angestellten erwartet, dass sie Vollzeit ins Büro zurückkehren. Uns ist bewusst, dass es unterschiedliche Gründe gibt, warum Sie nicht eingestempelt haben – etwa Krankheit, Urlaub oder Dienstreisen. (…) Bitte klären Sie den Grund für Ihre Abwesenheit mit Ihrem Vorgesetzten – und schicken Sie eine Kopie an absence@tesla.com.“
Diese E-Mail ging offenbar automatisch an alle Angestellten von Tesla in den USA, die an mehr als 16 Tagen nicht ihre Mitarbeiterkarte genutzt hatten, um in eines der Büros oder Fabrikgebäude zu gelangen. So zumindest steht es in dem Post eines Tesla-Angestellten in dem sozialen Netzwerk Blind. Tesla hat sich dazu auch auf Anfrage nicht geäußert. Ende Mai aber hatte Tesla-Chef Elon Musk bereits deutlich gemacht, was er von all jenen hält, die lieber weiterhin von zu Hause aus arbeiten würden: nicht viel.
In Deutschland ist solch eine Überwachung ohne Einwilligung der Angestellten oder gar ihr Wissen unzulässig. Trotzdem überwachen Arbeitgeber auch hierzulande ihre Belegschaften. Und dazu müssen sie nicht einmal vor Ort sein.
IT-Experte Joachim Selzer arbeitet ehrenamtlich für den Chaos Computer Club und für mehrere Kirchenkreise und Vereine als Datenschutzbeauftragter. Er ist für einen großen Logistikkonzern im Rheinland tätig. Das Interview mit dem IT-Experten wurde im September 2020 geführt und erschien damals erstmals bei der WirtschaftsWoche. Aufgrund des hohen Leserinteresses zeigen wir es erneut.
WirtschaftsWoche: Herr Selzer, welche technischen Möglichkeiten gibt es für Firmen, um zu überwachen, was ihre Mitarbeiter am Dienstrechner so alles machen?
Joachim Selzer: Technisch könnte eine Firma auf Dienstrechnern Software installieren, die ausnahmslos jede Aktivität überwacht, jeden Tastendruck, jede besuchte Webseite, jedes ausgeführte Programm.
Kommt das in deutschen Büros oft vor?
Firmen mit halbwegs intaktem Betriebsklima sehen meist von rechtlich äußerst bedenklichen Maßnahmen wie solchen Keyloggern ab und überwachen vor allem den Internetverkehr. Begründet wird das meistens mit Spam- und Schadsoftwareabwehr. In diesem Zusammenhang behalten die Unternehmen es sich dann aber vor, den kompletten Datenstrom nach bestimmten Kriterien zu filtern, also auch den verschlüsselten.
Es reicht also nicht, wenn ich zum Feierabend die Historie im Browser lösche, damit die Firma nicht nachvollziehen kann, welche Internetseiten ich besucht habe?
Mit dem Löschen Ihrer lokalen Daten haben Sie ein paar Spuren ansatzweise versteckt, aber die Aufzeichnungen über Ihre Internetnutzung existieren auf dem Firmenserver weiterhin. Dort liegen üblicherweise keine detaillierten Informationen wie etwa geschriebene Postings, aber die aufgerufenen Seiten werden sehr wahrscheinlich gespeichert sein. Einige Leute kommen auf die Idee, auf ihren Dienstrechnern Anonymisierungssoftware wie Tor einzusetzen. Selbst wenn die Firma das nicht technisch unterbindet, kann sie diese Software in der Internetnutzungsvereinbarung mit dem Angestellten verbieten und bei Zuwiderhandlung kündigen.
Kann ich als Beschäftigter erkennen, ob ich von meinem Arbeitgeber überwacht werde?
Wenn die Firma Spionagesoftware auf den Dienstrechnern installiert hat, merke ich davon meist nichts. Aufgetrennte SSL-Verbindungen kann ich im Webbrowser erkennen, indem ich mir das Zertifikat ansehe. Üblicherweise mit einem Klick auf das Schlosssymbol in der Adresszeile. Steht dort als Unterzeichner nicht eine der großen Zertifikatsausgabestellen wie DigiCert und GlobalSign, sondern irgendein Firewall- oder Virenscanner-Hersteller, kann die Firma mitlesen. Wenn ich mir nicht sicher bin, kann ich mir das Webseitenzertifikat einmal auf meinem heimischen und dann auf dem Firmenrechner ansehen.
Die großen Karriere-Irrtümer
Viele ambitionierte Menschen verlassen sich auf logisch erscheinende Theorien, die nur auf Erfahrungen Einzelner basieren. Natürlich gibt es auch nützliches Erfahrungswissen, aber ohne psychologische Reflexion und systematische Aufbereitung bleibt es Einzelwissen.
Beim Mentoren-Prinzip fördern erfolgreiche Top-Manager ihre jüngeren, unerfahrenen Kollegen. Der Mentor will dem Mentee nach bestem Wissen und Gewissen sagen, „wo es lang geht“. Ist der Mentor gut, schrumpft das Wissensgefälle nach kurzer Zeit – und damit auch die Wichtigkeit des Mentors. Dieser wird dann oft wütend und eifersüchtig und ist versucht, die Karriere seines Schützlings zu hemmen.
Es ist eine verbreitete, aber falsche Annahme, dass Chefs offene und konstruktive Kritik benötigen, um besser zu werden. Denn diese wirkt sich oft desaströs auf die Karriere des Kritisierenden aus. Zumindest unbewusst will sich kein Chef Kritik anhören, schon gar nicht in seiner Position.
Es ist die Haltung des Gebens, die zum Erfolg und damit zur Karriere führt. Auch als unerfahrener Mitarbeiter kann man seinem Mentor etwas „geben“. Anstatt eine Beziehung zu seinem Mentor anzustreben, in der man nur selbst profitieren will, macht man seinem Vorbild Komplimente, zeigt seine Bewunderung und bittet um Rat und Hilfe.
Man muss nicht unbedingt mehr im Unternehmen arbeiten, wenn man höherwertige Positionen im Unternehmen erreicht. Top-Manager müssen vor allem die Verbindung zwischen der eigenen beruflichen und privaten Person intensivieren und als Persönlichkeit auf das Unternehmen wirken und dieses repräsentieren.
Karrieren hängen nicht von einzelnen Situationen ab, sondern entwickeln sich über einen langen Zeitraum. Bei Entscheidungen unter Zeitdruck ist es unerlässlich, innezuhalten. Je länger sie pausieren, ohne nachzudenken, umso unwahrscheinlicher ist eine Fehlentscheidung.
Talent ist zu vernachlässigen, wenn alle anderen Dimensionen für eine Karriere – wie das Streben nach höchstem Können und eine stabile Psyche – stimmen.
Die individuelle Karriere folgt keiner Normalverteilung. Für sie gibt es keine berechenbare Wahrscheinlichkeit. Die realen Einflussgrößen sind Widerstände und Krisen, die zu bestehen sind und an denen man wachsen kann.
Wer das System Karriere nicht durchschaut, hält die Erfolge seiner Karriere für Zufall. Es ist jedoch nicht Glück, sondern der autonomer Wille der Ambition – also harte Arbeit unter der Regie seiner Ziele.
Lassen sich auch alltägliche Programme für die Überwachung missbrauchen?
Dazu eignen sich selbst so banale Dinge wie ein Chat-Client, der mich als „grün“ anzeigt, wenn ich am Rechner arbeite und automatisch auf „gelb“ springt, wenn ich einige Zeit die Maus nicht bewege. Einige Firmen sind auch dazu übergegangen, die Arbeitszeiterfassung mit dem An- und Ausschalten des Dienstrechners gleichzusetzen. Ein Betriebsrat sollte jedes Tool hinterfragen, das sich zur Überwachung missbrauchen lässt.
Ist es für die Unternehmen schwerer, die Mitarbeiter im Homeoffice zu überwachen?
Einen großen Unterschied sehe ich hier nicht, weil ich so oder so vor meinem Firmen-Laptop sitze. Anders ist die Situation, wenn ich mit der Firma ein Abkommen über die dienstliche Nutzung privater Hardware während der Heimarbeit schließe. Diese Abkommen sollte ich mir sehr sorgfältig durchlesen. Einige davon enthalten Passagen, in denen ich der Firma gestatten soll, rund um die Uhr unangekündigt meine Privatwohnung zu betreten, um sich von der Einhaltung des Datenschutzes und der Datensicherheit zu vergewissern. Andere Firmen bieten an, irgendeine Software auf den Privatrechnern zu installieren, die dort für die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen sorgen soll. Auch hier kann ich nur empfehlen, dienstlich und privat genutzte Hardware so deutlich wie möglich voneinander zu trennen.
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