Zschabers Börsenblick
Dax oder Dow? Quelle: dpa

Warum US-Aktien auch künftig die Nase vorn haben werden

Millionen Arbeitslose in den USA fallen gerade ohne soziale Absicherung tief. Doch die Märkte beweisen Stärke. Warum das zusammenpasst und weshalb US-Titel trotz der Coronakrise attraktive Chancen bieten.

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Dax oder Dow? Blickt man aus deutscher Perspektive auf beide Indizes, fällt die Entscheidung auf den ersten Blick leicht. Während in den USA seit der Krise rund 30 Millionen Arbeitnehmer ihre Jobs und zugleich oftmals gar ihre Krankenversicherung verloren haben, federn Instrumente wie die Kurzarbeit hierzulande die größten Folgen für die Konsumenten ab. Die Vereinigten Staaten könnten die Coronakrise in der Retrospektive gar in eine Reihe mit Pearl Harbour oder dem Vietnam-Krieg stellen. Deutschland hingegen scheint angesichts der Infektionszahlen und Sterblichkeitsraten gerade noch mal die Kurve gekriegt zu haben. Und trotzdem: Aus heutiger Sicht spricht deutlich mehr für Aktien aus den USA als für Dax-Titel.

Zukunftstechnologie im Dax Mangelware
Bereits in der Vergangenheit gestand der Markt Titeln aus den USA eine höhere Bewertung zu. Das liegt daran, dass der US-Aktienmarkt größer und liquider ist als der deutsche. Gerade während schwieriger Marktphasen zahlt sich dieser Vorteil aus. Vergleicht man Dax und Dow auf Sicht von einem Jahr, konnte der deutsche Leitindex im Herbst 2019 gar eine bessere Entwicklung zeigen als der Dow. Kaum bestimmte allerdings die Coronakrise die Märkte, zeigten US-Titel im Vergleich zu deutschen Standardwerten eine große relative Stärke. Während der Kurskapriolen im März lastete insbesondere der negative Ausblick für die Autoindustrie auf dem Dax und ließ den Index tiefer stürzen als den Dow. Dieser Asymmetrie besteht auch während der Erholung der Märkte: Auf Sicht von drei Monaten schneidet der Dow Jones um rund zwei Prozent besser ab als der Dax. Noch deutlicher wird der Unterschied, wenn man den Dax mit dem S&P 500 vergleicht: Um rund sechs Prozent behalten US-Titel auf Sicht von drei Monaten die Oberhand. Woran liegt das?

von Frank Doll, Hauke Reimer, Christof Schürmann

Im S&P 500 sind neben klassischen Standardwerten auch viele Technologie-Titel vertreten. Unternehmen wie Alphabet, Microsoft, Amazon aber auch Johnson & Johnson oder Gilead gelten sogar als Krisen-Profiteure. Der Blick auf die Unternehmen im Dax weckt dagegen lediglich eine überschaubare Kursfantasie: Neben den bereits erwähnten Automobiltiteln gibt es im Dax noch immer viele Finanztitel und zyklische Konsumgüter. Mit SAP ist der einzige wirkliche Digitalisierungs-Gewinner inzwischen die größte der 30 Aktien im Index. Allein die unterschiedliche Branchenverteilung zwischen Dax und den US-Indizes rechtfertigt einen Bewertungsaufschlag von US-Titeln.

Politische Risiken in der EU werden eingepreist
Hinzu kommt, dass viele Beobachter die aktuelle Krise in den USA eher aus einer sozialen, denn aus einer Marktperspektive betrachten. Dass in diesen Tagen Millionen US-Amerikaner ihre Jobs verlieren und nicht in ein gut eingespieltes Sicherheitsnetz aus Kurzarbeitergeld oder anderen staatlichen Unterstützungen fallen, ist selbstverständlich eine Katastrophe. Doch der Markt bewertet eher nüchterne Zahlen – und weniger die ergreifenden Schicksale. Blickt man auf die US-Arbeitslosenquote seit 1948, so fallen die vielen Spitzen auf: Die Arbeitslosenquote steigt in der Regel rapide an, sinkt aber häufig fast genauso schnell wieder. Daran, dass die Vereinigten Staaten als modernste Volkswirtschaft der Welt diese Krise überstehen werden, besteht angesichts dieser Geschichte kein Zweifel.

Im Gegensatz dazu führt die Krise in Deutschland und Europa dank staatlicher Interventionen zu weniger Leid und mehr ökonomischer Kontinuität. Doch die Mittel der Staaten sind nicht unendlich. Schon heute geraten Italien und auch Spanien angesichts der Krise unter Druck. Der Streit um die kurzfristig in „Coronabonds“ ungetauften Eurobonds dürfte den politischen Diskurs innerhalb Europas noch lange bestimmen. Während sich in den USA Republikaner und Demokraten über den Haushalt streiten, sind die Interessen in Europa vielschichtiger. Wie die Staatsschuldenkrise von 2011 gezeigt hat, ist das politische Gebilde Europa alles andere als unerschütterlich. Der jahrelange Aufschwung nach der Finanzkrise hat Ländern aus Südeuropa zwar Erleichterung verschafft, aber nicht alle Probleme gelöst. Die Coronakrise könnte mittel- bis langfristig auch für die Europäische Union große Probleme bedeuten. Dieses politische Risiko preisen die Märkte schon heute minimal ein.

USA: Es kann nur besser werden
Während uns in Europa aus politischer Sicht das Schlimmste noch bevorstehen könnte, erleben die USA seit Amtsantritt von Donald Trump den politischen Worst-Case. Das offensichtliche Missmanagement der Corona-Pandemie und die unübersehbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen für Arbeitnehmer in den USA, die nicht im Silicon Valley oder in den reichen Metropolen an der Ostküste arbeiten, könnten in den USA einen politischen Umschwung einleiten.

Die Präsidentschaftswahl dürfte enger werden, als gedacht. Denn die Krise trifft ökonomisch eher Trumps Stammwähler. Die Märkte würden sich über mehr Berechenbarkeit und weniger außenpolitische Scharmützel freuen.

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Als Börsenmakler war Dirk Müller das Gesicht des Dax. Seit fünf Jahren lenkt er als Fondsmanager eine halbe Milliarde Euro – in der Coronakrise war er erfolgreich. Im Gespräch erläutert er, wie seine Anlagestrategie jetzt abheben soll, welche Aktien er kauft – und warum er bei Wirecard viel Glück hatte. Lesen Sie das komplette Interview hier.

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