Riedls Dax-Radar
Schlagseite für den DAX. Quelle: Marcel Stahn

Gefährliche Schlagseite für die Kurse

Eskalierende Inflation, überfordert wirkende Notenbanken und Turbulenzen bei billionenschweren US-Aktien erhöhen den Druck auf den Dax. Der Kampf um den großen Trend an den Aktienmärkten geht in die nächste Runde. 

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Europa ist zurück an den Kapitalmärkten – aber anders, als sich das viele Anleger und wohl auch die Europäische Notenbank wünschen. Wochenlang standen die Renditen für amerikanische Staatsanleihen im Mittelpunkt des Interesses; ihr dynamischer Anstieg auf fast 1,90 Prozent bei zehn Jahren Laufzeit bestimmte den Takt an den Wertpapiermärkten.

Nun, nachdem auch in Europa die Inflationszahlen massiv klettern, zieht auch die Rendite der Bundespapiere an, der wichtigsten Anleihen in der EU.

Binnen einer Woche ist die Rendite für zehnjährige Bunds von minus 0,05 auf plus 0,15 Prozent gestiegen, obwohl die US-Renditen dabei nur auf der Stelle traten. Die Bund-Rendite hat nun den höchsten Stand seit Anfang 2019 erreicht. Zentrale Anleihebarometer wie der Rentenindex Rex und der Bund-Future drehen nach unten ab. Und, weil der amerikanische Zinsvorsprung plötzlich und unerwartet deutlich schrumpft, knickt auch die amerikanische Währung ein – und der Euro steigt im Gegenzug innerhalb einer Woche von 1,11 auf 1,15 Dollar. 

Offensichtlich ist, dass die Vorstellung, die von der europäischen Notenbankchefin Christine Lagarde am Donnerstag gegeben wurde, an den Märkten nicht gut ankam. Zwar erhöht die EZB wie erwartet bis auf weiteres nicht die Zinsen. Doch unterschwellig wächst die Sorge vor hohen und hartnäckigen Inflationszahlen. Ganz besonders wächst dabei an den Märkten die Angst, dass die EZB dieser Entwicklung nicht mehr Herr werden könnte. Das wiederum könnte eines Tages dann starke geldpolitische Maßnahmen notwendig machen, mit denen der Aufschwung von Konjunktur und Märkten endgültig beendet wäre. Der jüngste Absturz der Anleihenkurse in Europa ist ein neues, weiteres Problem, das die aktuellen Turbulenzen an den Börsen anheizt. 

Derweil halten die Geschäftszahlen und Prognosen der weltgrößten Aktiengesellschaften die Marktteilnehmer schwer in Atem. Positive Meldungen von Apple, Alphabet, Microsoft und zuletzt besonders Amazon stehen herben Enttäuschungen von Meta Platforms (Facebook), Netflix oder Paypal gegenüber. Dass die Kurse dabei binnen Sekunden deutlich zweistellige Ausschläge vollziehen, ist ein Zeichen für die Anspannung und die Nervosität der Investorengemeinde. Sie demonstriert auch die mittlerweile erreichte hohe Funktionalität der Handelsplattformen, auf denen billionenschwere Werte binnen Sekunden weit nach oben oder unten getradet werden können. Auch darin liegt eine Gefahr, da sich damit das Risiko eines Automatismus bis hin zu einem Crash spürbar erhöht. 

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Die Indexkurven werden von den Aktienturbulenzen mächtig nach unten und oben gezogen. Der Nasdaq-100-Index, der in der aktuellen, technikgetriebenen Hausse ausschlaggebend ist, hat nach seinem heftigen Verlusten im Januar auf bis zu 13.720 Punkte in vier Tagen eine schnelle Erholungsrally bis auf 15.280 geschafft. Noch allerdings ist der Kampf um das wichtige Niveau um 15.000 Punkte nicht gewonnen. Hier verläuft die Durchschnittslinie der vergangenen 200 Tage, sie ist ein wichtiger Hinweisgeber für den mittel- bis langfristigen Trend. 

SAP kippt, Infineon strauchelt

Auch im Dax kommt es bei den Technologiewerten zu großen Abschlägen. SAP ist schon in der vergangenen Woche nach einem enttäuschenden Ausblick unter den wichtigen Kursbereich bei 113 bis 115 Euro gerutscht. Nun gerät sogar Favorit Infineon unter Druck. Obwohl der Chiphersteller im ersten Quartal des bis September reichenden Geschäftsjahres gut verdient hat und auch die Prognosen robust sind, hat die Aktie seit dem Novemberhoch schon ein Fünftel eingebüßt. Dahinter steht die allgemeine Verunsicherung gegenüber Technologiewerten aber auch die Frage, wie lange die Lücke zwischen hohem Chipbedarf und dem Angebot der Hersteller noch auseinanderklafft. Dazu wachsen Bedenken, ob es bei einer Entspannung auf dem Chipmarkt im Infineon-Kerngeschäft Halbleiter für die Autoindustrie nicht doch zu Stornierungen kommen könnte.



Ein Nachteil für Infineon wäre auch eine wider Erwarten stärkere Erholung des Euro. Nach der Übernahme der amerikanischen Cypress erwirtschaftet das Unternehmen zwei Drittel seines Umsatzes in Dollar. Der Rückfall der Infineon-Aktie unter die 200-Tagelinie bei 36,20 Euro ist ein Schwächezeichen. Wenn sich der Kurs nicht schnell wieder über dieses wichtige Niveau erholt, drohen weitere Rückschläge bis in die Zone um 30 Euro. Für den Dax ist es eine Hypothek, dass nach seinem schwersten Technologiewert SAP nun auch sein bisher bester Technologiewert Infineon ins Straucheln gerät. 

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