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Chancen und Risiken nach der Fed-Kehrtwende

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Maximilian Kunkel Chief Investment Officer, UBS Wealth Management Germany & Global Family Office Zur Kolumnen-Übersicht: Geldanlage global

Die Inflation hat die Pandemie als wichtigstes Börsenthema abgelöst. Die US-Notenbank zielt nicht mehr auf Wachstum, sondern versucht sich als Inflationsbekämpferin – und erhöht so die Unsicherheit an den Märkten.

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Die Inflation ist stärker gestiegen und hat sich als anhaltender erwiesen als die Notenbanken noch vor wenigen Monaten erwartet haben. Vor allem in den USA ist sie mittlerweile zu einem Politikum geworden. Der Kollaps von Joe Bidens Zustimmungswerten im vergangenen Jahr ist eng verbunden mit dem Anstieg der Inflation. Diese ist im Jahresvergleich von 1,4 Prozent im Januar 2021 auf 7 Prozent im Dezember gestiegen.

Eine Gallup-Umfrage, die vorige Woche veröffentlicht wurde, zeigt, dass 79 Prozent der Amerikaner in den nächsten sechs Monaten eine höhere Inflation erwarten. Dies ist der höchste Prozentsatz seit Gallup 2001 zum ersten Mal eine solche Frage stellte. Dass die meisten Volkswirte diese Meinung nicht teilen würden, ist aus politischer Sicht irrelevant. Die Republikaner haben die Inflationsentwicklung bereits zum Wahlkampfthema gemacht.

Doch nun kommt der Druck auf die US-Notenbank, etwas gegen die Inflation zu unternehmen, vor allem von der moderaten Seite der Demokratischen Partei. Diese befürchtet bei den Zwischenwahlen im November einen republikanischen Erdrutschsieg. All dies setzt die Federal Reserve unter erhöhten Druck, mehr Entschlossenheit zur Verteidigung des Geldwerts zu zeigen, was jedoch aus unterschiedlichen Gründen schwierig ist.

Zum einen liegt die Ursache der derzeitigen Inflationsentwicklung weniger an einer überhitzten Konjunktur, die man mit höheren Zinsen wieder abkühlen könnte, sondern ist größtenteils auf Basiseffekte bei Energiepreisen und pandemiebedingten Nachfrageverschiebungen zurückzuführen. Der außerordentliche Nachfrageanstieg bei langlebigen Konsumgütern wie Autos, Elektronik und Wohnbedarf überwältigte teilweise die Produktionskapazitäten. Dies wiederum führte zu Knappheit bei einzelnen Vorprodukten, die durch logistische Engpässe zusätzlich verschärft wurden.

Unternehmen mit Preissetzungsmacht erhöhten in diesem Zuge ihre Preise, vor allem in Bereichen, in denen Kundentreue weniger großgeschrieben wird. So waren gemäß US-Arbeitsministerium die Preise für Gebrauchtwagen im Dezember 2021 37 Prozent höher als im Vorjahr. Gebrauchtwagen sind aufgrund von Lieferproblemen bei Neuwagen und dem Drang zum eigenen Auto als sicheres Transportmittel während der Coronapandemie zu einem Kerntreiber der Verbraucherpreise geworden. Die Fed kann hier wie bei Energiepreisen wenig ausrichten.

Diese Inflationstreiber sind aber ein vorübergehendes Phänomen und sollten im Laufe des Jahres abklingen. Jedoch ist es gut möglich, dass die Inflation nach Abebben dieser Effekte sich auf einem höheren Niveau als vor der Coronakrise einpendeln könnte. Deglobalisierung, Dekarbonisierung und Demografie gepaart mit höheren Wohnkosten könnten hierfür sorgen.

Die Märkte scheinen dies einzupreisen. Gemessen an der Break-Even-Inflation zehnjähriger US-Staatsanleihen erwarten Anleger aktuell eine Inflation für das nächste Jahrzehnt von 2,4 Prozent.

Zum anderen würde aufgrund der höheren Verschuldung nach der Coronapandemie eine harte Antiinflationspolitik mit deutlich über den Inflationsraten liegenden Zinsen derart schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft haben, dass sie politisch nicht tragbar wäre.

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Die Märkte sind sich dessen bewusst. Sie gehen derzeit davon aus, dass die Fed in diesem Zyklus die Zinsen nicht deutlich über zwei Prozent anheben wird. Dies sollte bei anhaltend solidem Gewinnwachstum mittelfristig weiterhin unterstützend für die Aktienmärkte sein.

Auch wenn die Inflation ohnehin fallen wird, möchte die US-Notenbank Bedingungen schaffen, die ihr politischen Kredit geben, wenn sich die Teuerungsrate verlangsamt. Entsprechend wird sie sich in naher Zukunft weiterhin als Inflationsbekämpferin positionieren wollen und durch vage Kommunikation – die in den Augen der Anleger als „hawkish“ zu interpretieren ist – für weitere Unsicherheit an den Märkten sorgen.

Dies trifft vor allem durch reine Spekulation getriebene Anlagevehikel, aber auch Wachstumstitel mit solider Basis. Über die letzten Jahre ist die Korrelation zwischen Wachstumstiteln und inflationsbereinigten Zinsen deutlich gestiegen. Beispielsweise ist die seit Jahresbeginn eingesetzte Reduktion der Bewertung von Technologietiteln, die selbst über den Corona-Boom hinaus überdurchschnittlich hohes und profitables Wachstum zeigen, zu einem Großteil auf den Anstieg der Realrenditen zurückzuführen.

Gemäß unseren Analysen könnte eine weitere Erhöhung der Rendite zehnjähriger inflationsgeschützter US-Staatsanleihen von aktuell -0,6 Prozent auf 0,0 Prozent das Kurs-Gewinn-Verhältnis des globalen Technologiesektors um weitere sechs bis acht Prozent nach unten drücken. Dies wären – angenommen die Wachstumsaussichten bleiben unverändert – meiner Meinung nach attraktive Niveaus für mittelfristig orientierte Anleger. Ich würde vor allem den Fokus auf Unternehmen mit Bezug zu künstlicher Intelligenz, Big Data und Cybersicherheit sowie 5G legen.

Taktisch würde ich jedoch weiterhin Substanztiteln sowie Finanz- und Rohstoffaktien den Vorzug geben. Sie sind immer noch relativ günstig und sollten von einem Umfeld weiterhin robusten Wachstums, erhöhter Inflation und steigender Zinsen profitieren. Energietitel können auch teilweise als Absicherung gegen die aktuellen geopolitischen Risiken helfen.

Mehr zum Thema: Die US-Notenbanker halten die Füße still – noch. Die Zinswende wird kommen. Was die Ankündigungen der Fed-Sitzung für Anleger bedeuten.

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