Der abgelaufene Januar war an sich schon ein eher trüber Monat, aber für Anlegerinnen und Anleger war er besonders trübe. In zahlreichen wichtigen Anlageregionen haben die Aktienkurse nachgegeben – und zwar so kräftig wie lange nicht. Vor allem in den USA standen die Aktienmärkte in den vergangenen vier Wochen unter Druck. Der US-Leitindex S&P 500 verzeichnete mit einem Minus von 5,3 Prozent (in Dollar gerechnet) den schwächsten Jahresauftakt seit der Finanzkrise 2009. Der Technologieindex Nasdaq 100 stürzte rund neun Prozent ab – sein drittschlechtestes Januar-Ergebnis aller Zeiten. Im Dax fielen die Verluste mit rund zwei Prozent vergleichsweise moderat aus.
Für den wenig erquicklichen Jahresauftakt gibt es mehrere Gründe. Erstens hat die Coronapandemie die Welt noch immer im Griff, auch ihre Folgen für den Welthandel wie Lieferkettenprobleme und Chipmangel machen sich weiter bemerkbar. Zweitens wächst seit Mitte Januar die Gefahr eines Krieges zwischen Russland und der Ukraine und macht Investoren nervös. Drittens sorgt der rasante Anstieg der Verbraucherpreise für Unruhe. Viertens rechnen Anleger, auch als eine Folge der anhaltend hohen Inflation, im laufenden Jahr mit steigenden Leitzinsen in den USA. An der Wall Street haben die Kurse vieler Aktien deshalb stärker nachgegeben als an den Börsen in Europa, wo die Zentralbank bisher noch keinen Zinsanstieg signalisiert hat.
Keine klare Richtung
Statistisch gesehen ist ein miserabler Januar ein schlechtes Omen für den Rest des Börsenjahres. Beendete der S&P 500 den ersten Monat des Jahres mit einem Minus, lag die Durchschnittsrendite in den darauffolgenden elf Monaten historisch nicht einmal halb so hoch wie nach einem starken Januar. Ob es auch in diesem Jahr so kommt, ist allerdings alles andere als klar. Nicht nur, weil man aus der Vergangenheit keine belastbaren Schlüsse für die Gegenwart ziehen kann. Sondern auch, weil es seit einigen Tagen wieder aufwärtsgeht an den Aktienmärkten.
Das Hin und Her erschwert Anlegern die Orientierung. War der schwache Jahresstart der Beginn eines Bärenmarktes, ist die aktuelle Mini-Erholung nur ein letztes Aufbäumen der Börsenbullen? Oder sind die Kursstürze als überfällige Korrektur bei überbewerteten Titeln zu betrachten, und jetzt geht es weiter aufwärts? Selbst Profianleger sind in dieser Frage tief gespalten.
Klar ist: Die Faktoren, die zuletzt für Unsicherheit sorgten, haben sich mit dem Monatswechsel nicht in Luft aufgelöst. So warnte Nicolai Tangen, Chef des norwegischen Staatsfonds, kürzlich in der „Financial Times“ davor, dass der Mix aus niedrigen Zinsen, hohen Unternehmensbewertungen und steigenden Inflationsraten auf längere Sicht zu schwächeren Renditen führen dürfte. „Wir könnten eine lange Periode mit niedrigen Erträgen sehen“, sagte er. Das Coronavirus und die anstehende Zinswende in den USA könnten im Jahresverlauf zusätzlich für Turbulenzen sorgen.
Chancen für Mutige
Andererseits sehen risikobereite Investoren jetzt Einstiegsmöglichkeiten. Zum Beispiel Bill Ackman: Der Hedgefondsmanager stieg Ende Januar bei Netflix ein, nachdem der Aktienkurs des Streaming-Dienstleisters deutlich gesunken war. Mit seinem Hedgefonds Pershing Square kaufte Ackman Unternehmensanteile für fast eine Milliarde Dollar. Das Investment hat sich für ihn bereits jetzt ausgezahlt. Der Aktienkurs von Netflix ist seit seinem Einstieg um rund zwölf Prozent gestiegen.
Die einen schwören jetzt auf „Buy the dip“, raten also bei Kursrückgängen zum Einstieg. Die anderen zitieren die Börsenweisheit, mit der bei fallenden Kursen gern zur Vorsicht gemahnt wird: „Greife nie in ein fallendes Messer.“ Welche Börsenstrategie sinnvoll ist, hängt letztlich davon ab, wie Anlegerinnen und Anleger den schwachen Januar interpretieren: als Ausreißer – oder als Beginn eines langfristigen Abwärtstrends.
Trotz der insgesamt desaströsen Monatsbilanz gab es auch im Januar Aktien, die gut abschneiden konnten. Am besten schlugen sich im S&P 500 Titel aus dem Ölsektor: Die Anteilsscheine von Halliburton, Schlumberger und Occidental Petroleum schlossen den Monat rund 30 Prozent im Plus. Sie profitieren von den deutlich gestiegenen Ölpreisen und der Angst vor einer Eskalation des Ukrainekonflikts. Weil Russland einer der größten Exporteure von Öl und Erdgas ist, dürfte ein Krieg in Osteuropa die Energiepreise weiter in die Höhe treiben.
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