Blick hinter die Zahlen #15 – Müllexporte So hat sich der Müll-Markt durch Corona verändert

Jahrelang schickte Deutschland seine Abfälle nach China. Als die Chinesen den Müll nicht mehr wollten, verlagerten sich die Mülltransporte in andere Länder. Die Preise setzte das unter Druck – bis das Coronavirus kam.

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Plastikabfälle sind ein globales Geschäft. Fein säuberlich sortiert, in Folien und Flaschen, in Schalen und Becher, aufgeteilt nach PET, PP oder dutzenden weiteren Kunststoffarten, wird der Abfall zu Ballen gepresst und um die Welt geschifft. Der Export von Müll zur Deponierung in andere Länder ist verboten, nur der Weiterverkauf zum Recycling ist erlaubt. Jahrelang war das ein profitables Geschäftsmodell. Insbesondere China kaufte gerne Altpapier oder die Plastikreste aus Deutschland auf und verarbeitete das, was in Deutschland niemand mehr verarbeiten wollte. Weil die Lohnkosten niedriger und die Umweltauflagen schwächer sind, lohnte sich das Geschäft trotzdem, für beide Seiten.

In der Spitze exportierte Deutschland beinahe 600.000 Tonnen Plastikabfälle nach China – mehr als 40 Prozent der gesamten Exportmenge an Plastikabfällen. Das meiste daraus stammte aus Gewerbeabfällen, überschüssige Folien oder Produktionsreste aus der Herstellung von Kunststoffteilen im Auto.

Die Abfälle aus dem gelben Sack oder der gelben Tonne sind als Exportgut unbeliebt. Zu schlecht sortiert, zu dreckig, und deshalb auch schwer zu verarbeiten. Ein unprofitables Geschäft, das außerdem jede Menge Bürokratie verursacht. Anders als bei Plastikabfällen aus Gewerbe und Industrie muss bei Verpackungsmüll aus Privathaushalten dokumentiert werden, dass die Abfälle auch wirklich recycelt werden.

So viel Abfälle exportierte Deutschland

Nur waren die exportierten Plastikballen selten so sauber und sortenrein, wie es die Exporteure ihren Abnehmern versprachen. Und bei jedem Recyclingprozess entstehen Abfallstoffe – und wie die zu entsorgen sind, ist im europäischen Ausland nicht immer geregelt. So landeten auch deutsche Abfälle immer wieder auf illegalen Müllkippen.

Die chinesische Regierung griff deshalb Anfang 2018 durch. Mit der „National Sword Initiative“ erließ die chinesische Regierung kaum erfüllbare Qualitätskriterien für Abfallimporte, de facto wirkte das wie ein Importstopp. Der größte Importeur für Kunststoffreste entzog sich einfach so dem Handel. Der Markt brach zusammen.

Ein Teil der Mengen, die vorher nach China geschifft wurden, landeten nun in den Häfen von Malaysia, Indonesien, Vietnam oder Indien. Doch die dortigen Recycler hatten kaum die Kapazität, um all diese Mengen zu verarbeiten, innerhalb von Wochen tauchten neue und neue illegale Mülldeponien auf. Deshalb zogen viele Regierungen nach und erließen ebenfalls strengere Importregeln.

In welche Länder Deutschland seinen Müll hauptsächlich entsorgt

So gibt es mittlerweile weltweit deutlich weniger Abnehmer für Plastikabfälle oder Altpapier aus Deutschland. Die deutschen Haushalte und auch die Industrie produzierte deshalb aber nicht weniger Müll. In der Folge stürzten die Preise ab. So meldeten deutsche Unternehmen für ihre Plastikmüllexporte nach China 2015 noch einen Wert von 345,9 Euro die Tonne. 2019 lag der Wert für die Exporte zum nun größten Abnehmer Malaysia bei nur noch 207 Euro die Tonne.

Noch heftiger wirkten sich die Effekte auf den Altpapierpreis aus. Zwar war der chinesische Markt nie so wichtig für deutsche Altpapierhändler, sie verkauften lieber ins europäische Umland. Und es gibt noch immer eine starke Papierindustrie in Deutschland, die auch viel Altpapier importiert. Doch die asiatischen Importstopps führten schnell zu einer Übersättigung des europäischen Marktes. Das zeigt auch der Preisindex für Altpapier, den das statistische Bundesamt monatlich bei Großhändlern in Deutschland erhebt. Ende 2020 bekamen die Großhändler für gemischtes Altpapier auf dem deutschen Markt nicht einmal mehr ein Sechzehntel des Preises, den sie vor den asiatischen Exportbeschränkungen noch verlangt hatten.

Entwicklung des Altpapierpreis seit 2015

Das ändert nun ausgerechnet das Coronavirus: In den vergangenen Wochen seien die Altpapierpreise wieder stark gestiegen, berichtet der Brancheanalysedienst EUWID. Weil auch Müllabfuhren und Sortierbetriebe von der Krise betroffen sind, sanken die Sammelmengen. Weil Grenzkontrollen den Transport erschweren, wird auch der Import von Altpapier aus dem Ausland schwieriger.

Die deutschen Papierfabriken aber verzeichneten mehr Nachfrage – zum Beispiel für Klopapier. Sie brauchen daher mehr Altpapier zur Verarbeitung und sind dafür auch bereit, wieder mehr zu zahlen. Der Preisindex für Altpapier bildet diese Entwicklung jedoch noch nicht ab – er wird mit einigen Wochen Verzögerung veröffentlicht. Bis dahin, fürchten viele in der Branche, könnte der Corona-Effekt schon wieder verblassen. Der chinesische Importstopp hat den Markt nachhaltig aus dem Gleichgewicht gebracht.

Die Rubrik „Blick hinter die Zahlen“ entsteht mit Unterstützung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Für die Inhalte der Beiträge ist ausschließlich die WirtschaftsWoche verantwortlich.

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